Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1984
Die Weltwirtschaft erholt sich weiter. Damit steigt auch die Energienachfrage. Der Energieverbrauch erhöht
sich weltweit um etwa 300 Mio t SKE, in der Bundesrepublik Deutschland um 12 Mio t SKE. Davon profitieren
in der BRD vor allem Kernenergie und Gas, zum geringen Teil auch die Kohle, deren Anteil am Verbrauch an
Grundenergien noch bei 21% liegt. Nach wie vor besteht jedoch ein Überangebot an Energie, das die Preise
drückt.
Zusätzlich zu den Beschlüssen der "Kohlerunde" vom Oktober 1983 zur Anpassung der Förderung sind die
Unternehmen des deutschen Steinkohlenbergbaus bereit, die Förderung bis 1985 durch Minderauslastung der
vorhandenen Kapazitäten auf ein Volumen zu beschränken, das einen Abbau der Halden ermöglicht.
Die Lieferungen an die Stromwirtschaft sind bis 1995 durch den "Jahrhundertvertrag" abgesichert. Nun geht es
darum, für den 1988 auslaufenden "Hüttenvertrag" eine Anschlußregelung zu treffen. Die Vertragspartner der
öffentlichen Hand legen dafür im Dezember ein Konzept vor, das weiterhin die volle Bedarfsdeckung der
Stahlindustrie durch den inländischen Steinkohlenbergbau vorsieht. Die Bundesregierung und die
Landesregierung Nordrhein-Westfalen sind bereit, auch nach 1988 Kokskohlenbeihilfen zum Ausgleich der
Differenzen zum Weltmarktpreis zu zahlen. Eine konkrete Entscheidung steht jedoch noch aus.
Die deutsche Grubenbelegschaft bringt eine stündliche Kohlengewinnung von 574 kg. Die Stundenleistung der
übrigen europäischen Untertagebelegschaft setzt sich dagegen mit rd. 350 kg deutlich ab.
Die Stahlunternehmen verringern im September ihre Anteile an der Ruhrkohle AG von rd. 54% auf rd. 28%.
Gleichzeitig wächst die Beteiligung von Strom und Chemie von rd. 36% auf rd. 62%. Die VEBA AG ist nun mit
39% größter Anteilseigner.
Die Ruhrkohle AG senkt gemäß dem Anpassungskonzept die Produktion der noch 23 Bergwerke in 1984 auf
56,1 Mio t Steinkohle. Die Förderdrosselung wird insbesondere durch den Ansatz von 10 Kurzarbeits- und
zusätzlich 11 Anpassungstagen ermöglicht.
Der Absatz erhöht sich vor allem dank der besseren Wirtschaftslage und dem gestiegenen Dollarkurs auf 62,8
Mio t, der Haldenbestand geht auf 8,5 Mio t zurück. Die Gesellschaft beschäftigt zum Jahresende noch 116.507
Mitarbeiter, 5.750 weniger als im Vorjahr. Bei den Abkehrenden werden dabei die Möglichkeiten zur
Frühpensionierung sowie das Ausscheiden von ausländischen Mitarbeitern im Rahmen des
Rückkehrhilfegesetzes genutzt. Gleichzeitig verzichtet man weitgehend auf die Neueinstellung von
Arbeitskräften. Ausgenommen davon sind die 4.550 aufgenommenen Nachwuchskräfte und rd. 1.100 Arbeiter
und Angestellte, die vom stillgelegten Bergwerk Erin des Eschweiler Bergwerksvereins übernommen werden.
Am 31. März schließt die Kokerei Ewald in Herten, am 30. Juni die Kokerei Jacobi in Oberhausen.
Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt MdB wird am 28. Juni in den Aufsichtsrat berufen.
Auch bei der BAG Lippe gibt es Personalveränderungen. Im März geht Dr.-Ing. Hans Messerschmidt als
Sprecher des Vorstandes zur BAG Niederrhein. Er löst dort Dr.-Ing. Heiner Weber ab.
Zum gleichen Zeitpunkt wird Dipl.-Ing. Herbert Kleinherne Vorstandssprecher der BAG Lippe. Dessen
bisherigen Arbeitsbereich Technik übernimmt Ass.d. Bergf. Manfred Bergmann, der vom Bergwerk Niederberg
kommt.
Zum Ende des Jahres wechselt der für den Bereich Personal- und Sozialwesen zuständige Arbeitsdirektor
Hans Holobar ins Privatleben. Sein Nachfolger wird Wolfgang Wieder.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal laufen die Arbeiten für das Anschlußbergwerk Haltern auf die baldige
Aufnahme der Förderung zu. Am 28. Juni erfolgt die Endabnahme des Schachtes Haltern 1. Nach der
Demontage der Abteufeinrichtungen und der Erstellung des Schachtkopfes steht zum Ende des Jahres der
Förderturm mit Fahrstuhl, Kranbahn und Zwischenbühnen in Stahlbauweise. Wegen des geringeren Bedarfs an
Gelände wählt man eine im Turm untergebrachte Fördermaschine. Die Höhe des Förderturms muß aus
Gründen des Umweltschutzes auf 39 m begrenzt werden. Dieser soll den Baumbestand des umliegenden
Waldes nicht wesentlich überragen. Das wiederum führt dazu, daß die Förderlast auf 10 relativ dünne
Förderseile von je 30 mm Durchmesser verteilt wird, deren Biegeradien einen entsprechend kleinen
Durchmesser der Treibscheiben mit großem Ablenkwinkel zulassen.
Der 2.600 kW-Motor der Fördermaschine zieht einen 3-Etagen-Korb mit Gegengewicht bei einer zulässigen
Aufschiebelast von 20 t. Bei der Seilfahrt können 135 Personen je Zug befördert werden. Für den Fall längerer
Betriebsstörungen an der Großkorb-Förderanlage steht zur Seilfahrt und zum Einhängen geringerer Lasten eine
Hilfsfahranlage mit einer Zweiseilbobinen-Fördermaschine zum Betrieb bereit.
Auch der Schacht Haltern 2 sieht seiner Fertigstellung entgegen. Schachtturm und Schachtschleuse werden
montiert und die Fördereinrichtung im Schacht eingebaut. Im April ist die Befahrungseinrichtung als mittlere
Seilfahrtanlage für maximal 20 Personen in Betrieb, um den Schacht Haltern 1 später von zeitraubenden
Zwischenseilfahrten zu entlasten.
Am 20. Mai geht die Hauptlüfteranlage an Schacht Haltern 2 in Betrieb. Damit bildet das Grubengebäude
Haltern ein eigenständiges Wetterfeld. Die schallgedämpfte Lüfteranlage ist unter Flur angeordnet und soll
stufenweise an den Wetterbedarf der Grube angepaßt werden. Das Aggregat ist für eine maximale
Wettermenge von 28.800 m3 je Minute ausgelegt.
Bis zum Herbst ist auch im 1. Querschlag auf der 3. Sohle die
Montage der Drehkippe am Fuß des Transportberges zur 7. Sohle
des Altfeldes General Blumenthal abgeschlossen.
Reibradstationen bringen hier den Kohlenzug zur Kippe.
Drehkupplungen ermöglichen das Kippen der Einzelwagen im
Zugverband.
Der Leerzug wird wieder von Reibradstationen aufgenommen und
dem Leergleis zugeführt. Der gesamte Vorgang läuft
vollautomatisch ab.
Im Förderbetrieb laufen die ersten 32 Wagen mit 25 m3 Inhalt.
Man bildet daraus 4 Zugeinheiten von je 8 Wagen, die von einer
DIEMA-Milles-Batterielokomotive EGL 160 mit einer installierten
Leistung von 2x40 oder 4x40 kW und einer maximalen Zugkraft von
50 kN am Haken bewegt werden. Eine eigensichere
Thyristorsteuerung mit Sicherheitsfahrschaltung überwacht die
Zugkraft.
Am 03. Dezember ist es soweit. Auf den Tage genau 5 Jahre nach
dem Start der Robbins-Vollschnittmaschine an Schacht 8 nimmt
der erste Streb im Baufeld Haltern in Flöz Zollverein 6 die
Kohlengewinnung auf. Der Förderweg ist lang. Von der Ladestelle
am Ende des 1.Querschlages auf der 3. Sohle bis zur Kippe, von
da über den Förderberg zur 7. Sohle und schließlich mit der
automatischen Lokomotivförderung zum Schacht 11 in
Wanne-Eickel, wo die Kohlen nach etwa 22 km Weg zur
Aufbereitung zu Tage gehoben werden. Die im o.g. Förderberg
installierte Bandanlage muß erstmals für General Blumenthal in
intermittierender Betriebsweise 2 Kohlensorten aufnehmen.
Der Transport der 14 t schweren Ausbaueinheiten zum Streb
erfolgt im abbaunahen Bereich mit Schwerlastgehängen, die
jeweils mit 8 Laufkatzen das Gewicht auf die Schienen der
Einschienenhängebahn verteilen.
In dieser Zeit stehen 3 Material- und Bergewagen, von 3
verschiedenen Herstellern entwickelt, auf der Gleisanlage der
Essener Verkehrsbetriebe.
Die Bundesbahnversuchsanstalt Minden testet das Verwinde- und
Fahrverhalten der Fahrzeuge, die für Geschwindigkeiten bis zu 40
km/h ausgelegt sind.
Neue Wege geht man auch bei der künftigen
Personenbeförderung im Haltern-Feld. Am 01.Oktober läuft ein
Forschungsvorhaben an, das die Entwicklung und den Bau eines
mit modernster Ergonomie und Sicherheitseinrichtung
ausgerüsteten Personenzuges zum Ziel hat. Der Zug soll mit einer
Lokomotive und einer Steuerkabine im Wendebetrieb gefahren
werden und bis zu 40 km/h schnell sein.
Die mit schalldämpfenden Bondalblechen ausgestatteten
Personenwagen werden 24 Personen aufnehmen und mit
Kommunikationsund Sicherheitseinrichtungen versehen sein. Die
Firma Unkel und Meyer in Wattenscheid erhält den Auftrag zum
Bau der Wagen und des Steuerstandes.
Die Robbins-Vollschnittmaschine fährt auf der 3.Sohle zunächst
den Rest der Hauptrichtstrecke nach Osten und die Kurve zum 2.
Querschlag nach Norden auf. Dieser ist zum Jahresende bis auf
eine Länge von 2.115 m fertiggestellt. Dabei erfolgt vorher am 08. März der
Durchschlag zum Füllort Haltern 1 Osten.
Für die Versorgung des Baufeldes Haltern mit Druckluft geht zum Jahreswechsel
die über Tage installierte Kompressorenstation mit einer Lieferleistung von
2x5.000 m3 Niederdruckluft je Stunde in Betrieb. Die elektrische Schaltanlage
erhält einen zweiten 30 kW-Transformator. Mit dem Beginn der Kohlenförderung
im Baufeld Haltern wird die Stromversorgung als 10 kVMittelspannungsnetz auf
der 3. Sohle aufgenommen. Erstmals im Untertagebetrieb realisiert man dabei
die Möglichkeit einer selektiven Erdschlußabschaltung in Mittelspannungsnetzen.
Das Bergwerk General Blumenthal hält in etwa Förderung und Leistung in der
Größenordnung des Vorjahres. Das Betriebsergebnis aber fällt besonders
wegen der Kurzarbeits- und Anpassungstage stark ab. Die Förderung kommt im
Jahresmittel aus nur 5 Streben.
Im Streb Flöz Zollverein 6 läuft eine Gleithobelanlage. Beim
Strebausbau entscheidet man sich für den 2-Stempel-Schild mit
Anstellkappe, die in ausbruchgefährdeten Abschnitten als
Schiebekappe ausgebildet ist.
Mit dieser wird der Abstand der Kappenspitze zum Kohlenstoß
über eine Gleichlaufsteuerung entsprechend der Fördererstellung
konstant gehalten. Der Vorgang läuft entweder automatisch oder
von Hand reguliert ab. Sinkt die Kappe zu weit ab, so erfolgt
eine Unterbrechung der Gleichlaufsteuerung, um eine
Beschädigung durch den Hobel zu vermeiden. Sorge bereitet der
auf nunmehr 37,3% angestiegene Bergeanteil in der Rohförderung.
Im Baufeld B I wird im Berichtsjahr im 5. Querschlag der Blindschacht 951 geteuft. Der 265,7 m tiefe Schacht
hat einen Durchmesser von 6 m und erhält Stahlringausbau.
Beim Vortrieb von Flözstrecken setzt man zunehmend niedrigbauende Bohrwagen ein, die den gleichzeitigen
Betrieb einer Arbeitsbühne ermöglichen.
Die mittleren Tagesauffahrungen zwischen 8 und 10 m in Flöz Wasserfall, Baufeld C III Nord, gelten als
ausgezeichnete Ergebnisse. Die Gesamtkosten je m Strecke belaufen sich hier zum Teil deutlich unter 4.000
DM.
An Schacht 11 wird über Tage im Oktober eine neue Einrichtung für die Bergeverladung fertiggestellt. Die
Abfahrt eines Teils der bei der Aufbereitung anfallenden Berge erfolgt nun auf dem Schienenweg - eine
spürbare Entlastung des Straßenverkehrs vom Transport von täglich über 3.000 t Berge.
Beim weiteren Ausbau der neuen Grubenwarte auf der Anlage 1/2/6 über Tage gehen zur Fernübermittlung von
Betriebsdaten und Meßwerten aus dem Baufeld Haltern die ersten Bausteine für eine serielle
Datenübertragung - System Bergbauforschung - mit Reichweiten bis zu 20 km in Betrieb.
Im Rahmen der Programmierung der RAG-einheitlichen Grundsoftware können nun auch die nach Revieren
geordneten Tagesberichte eingegeben und abgerufen werden. Auch der Abruf weiterer Berichte wie die
Auflistung der Stillstandszeiten nach Revieren oder gesammelt ist möglich. Für die Brandfrüherkennung läuft
seit Juni ein zweiter Siemens-Rechner vom Typ R 30.
Zur Vereinfachung der Betriebsmittelbewirtschaftung wird am 01. April das Datenbank-Bildschirmsystem
(DABIB) eingeführt. Die gesamte Abwicklung von Veränderungsvorgängen, Bestellungen und Freigaben, d.h.
Beschaffung und Abgabe von Betriebsmitteln, die der zentralen Bewirtschaftung unterliegen, erfolgt jetzt über
Computer. Damit entfällt der bisher recht umfangreiche Schriftverkehr für diesen Bereich. Die Sachbearbeiter
können jederzeit auf den aktuellen Datenstand zurückgreifen.
Die Ausbildungsabteilung des Bergwerks nimmt weiterhin einen Spitzenplatz innerhalb der Gesellschaft ein.
Man ist bestrebt, dieses Bild auch nach draußen zu vermitteln. So haben Vertreter von Schulen, Kirchen und
Presse in nicht weniger als 13 Veranstaltungen Gelegenheit, die Ausbildungswerkstätten, das Lehrrevier und
die Organisation der Ausbildung kennenzulernen.
Die Wohnungsverwaltung meldet die Fertigstellung von insgesamt 2 Mehrfamilienhäusern am Ossenbergweg
und von 12 Einfamilienhäusern in der Henrichenburger Straße sowie von 3 Mehrfamilienhäusern im Quellberg.
Weitere 40 Wohneinheiten sind in der Kirchhofstraße, der Langen Wanne und der Thorner Straße im Bau.
Ab dem Berichtsjahr ist das Bergamt Recklinghausen wieder als Aufsichtsbehörde für das Bergwerk General
Blumenthal zuständig. Das Bergamt untersteht dem Ltd. Bergdirektor Georg
Schlüter.
Am 31. Januar geht der langjährige Rechnungsführer Josef Schardt in den
Ruhestand. Seine Aufgaben übernimmt Wilhelm König.
Nach fast 15-jähriger Tätigkeit als Direktor für das Personal- und Sozialwesen
auf dem Bergwerk General Blumenthal wechselt am 31. Oktober Gerhard
Stebner ins Privatleben.
Sein Aufgabenfeld liegt nun in den Händen von Horst Schurian, der von der BAG
Westfalen kommt.
Das zweite Knappschaftskrankenhaus in Recklinghausen wird im Berichtsjahr
eingeweiht. Es steht an der Verbandsstraße/Ecke Dorstener Straße.
Im alten Knappschaftskrankenhaus am Westerholter Weg befindet sich nun wieder die Verwaltung der AOK. Im
linken Flügel des Gebäudes ist die Verwaltung der Bundesknappschaft eingezogen.