Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1979
In den westlichen Industrieländern setzt sich das in den letzten beiden Jahren begonnene Wirtschaftswachstum
verstärkt fort.
Die Europäische Gemeinschaft beschließt entsprechend dem Ergebnis des Weltwirtschaftsgipfels im Juni in
Tokio, daß die Öleinfuhren im Jahre 1985 nicht die des Jahres 1978 übersteigen dürfen.
Der Bundesrepublik Deutschland beschert das Berichtsjahr ab Mai endlich den lange erhofften konjunkturellen
Aufschwung. Das Bruttosozialprodukt steigt um 4,4%. Der Primärenergieverbrauch erreicht einen neuen
Höchststand und bewirkt eine Zunahme im Steinkohlenverbrauch um 9,4%. Die eisenschaffende Industrie zieht
an und bringt Bewegung in den Kokskohlenmarkt. Die steigende Stromerzeugung hat eine stärkere Nachfrage
nach Kraftwerkskohle zur Folge.
Durch die Entwicklung auf dem Weltenergiemarkt, insbesondere durch die auf der OPECKonferenz im Juni in
Genf beschlossene Erhöhung der Heizölpreise von 14 auf über 20 Dollar je Barrel, ist die deutsche Steinkohle
seit Mitte des Jahres erstmals wieder voll wettbewerbsfähig. Es sieht gut aus für die Kohle.
Dr. Bund sieht auf dem Steinkohlentag in Essen die Position der Kohle wieder ausbaufähig und schätzt die
Zuwachsraten für den deutschen Markt auf 15 Mio t bis 1985 und 20 Mio t bis 1990.
Vorstandsmitglied Friedrich Carl Erasmus hält den Ersatz auslaufender Lagerstättenbereiche durch
vorhandene Kapazitäten und Anschlußbergwerke bis in die 90er Jahre hinein für voll abgesichert.
Darüberhinaus aber sind neu aufzuschließende Lagerstättenteile unabdingbar.
In der Politik herrscht Übereinstimmung, die heimische Förderung auf etwa 90 Mio t Kohle zu halten. Die
Bergbauunternehmen stimmen ihre Planung darauf ab. Anschlußprojekte mit einer Jahreskapazität von 20 Mio t
sind das Ergebnis.
Die Ruhrkohle AG kann mit diesen Vorgaben ihre Förderkapazität voll auslasten. Erstmals seit 1969 erhöht
sich die Kohleproduktion wieder gegenüber dem Vorjahr. Neben der auf 62,9 Mio. Tonnen gestiegenen
Förderung werden 9,2 Mio t Kohle und Koks vom Lager verkauft. Die Haldenbestände sinken um fast 60% auf
6,3 Mio t. Obwohl die Folgen aus Alt- und Schrumpfungslasten aus den Stillegungen in den vergangenen Jahren
negativ zu Buche schlagen, schließt die Gesellschaft das Geschäftsjahr mit einem Überschuß von 138 Mio DM
ab.Die vorgesehenen Stillegungen sind jedoch nicht abzuwenden. Am 30. Juni schließt das Bergwerk Waltrop
und am 7. Dezember bringt das Bergwerk Prosper III in Bottrop die letzten Kohlen zu Tage.
Die Produktion ist nun auf 32 Schächte und 29 Aufbereitungsanlagen zusammengefaßt. Die Schachtförder- und
Aufbereitungskapazität beziffert sich im Mittel auf täglich etwa 10.500 tvF je Bergwerk.
Nach vierjähriger Bauzeit geht im Mai der 740-Megawatt-Steinkohleblock F des Kraftwerkes Scholven in
Gelsenkirchen-Buer ans Netz.
Am 21. Mai erfolgt in Bottrop der erste Spatenstich für den Bau einer Kohleverflüssigungsanlage.
Das Fernsehen bringt am 16. Mai die erste Live-Übertragung von unter Tage. Das ZDF meldet sich in seiner
300. Sendung "Bilanz" von der 4. Sohle des Bergwerks Walsum.
Der Vorsitzende des Aufsichtsrates der Ruhrkohle AG, Hans Birnbaum, übergibt im Sommer sein Amt an
Dr.jur. Dieter Spethmann, dem Vorsitzenden des Vorstandes der Thyssen AG.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal gehen die Vorarbeiten für
das Teufen des Schachtes Haltern 1 zügig voran. Die Firma Wix
und Liesenhoff erstellt nach dem ersten Spatenstich am 1.
Februar in den ersten 3 Monaten des Jahres den Gefrierkeller
und eine Bohrpfahlwand zur Sicherung des Vorschachtes.
Anschließend erfolgt der Aushub des Schachtkopfes bis 9 m
Teufe. Im Spätsommer werden die Teuf- Fördermaschine und
die Gefrieranlage montiert und die erforderlichen Gebäude wie
Magazin- und Werkstattbaracke, provisorische Kauen und
Bürobauten aufgestellt. Die Firma DEUTAG (Bentheim) stellt
dann bis September die Gefrierbohrlöcher mit jeweils 220 m
Teufe fertig und im Oktober beginnt das Vorfrieren für die
Herstellung der Frostwand im oberen Schachtbereich. Gegen
Jahresende wird der Vorschacht in offener Baugrube bis auf 38
m Teufe niedergebracht und betoniert. Ab dem 22. Dezember
schließlich läuft der Vollbetrieb für das Gefrieren der
Schachtwand an.
Zum Jahresende erhalten die Firmen Deilmann-Haniel und Gebhardt und Koenig den Auftrag zum Abteufen des
Schachtes Haltern 2, der als ausziehender Wetterschacht dienen soll.
Aber auch hier - wie schon vor den Teufarbeiten für den Schacht "An der Haard 1" - erhebt sich bereits vorher
Widerstand gegen das Projekt. Naturschützer und "Grüne" glauben einfach nicht, daß an den Haltern-Schächten
keine Kohle zu Tage gehoben werden soll. Sie sehen eine große Anlage entstehen mit Aufbereitung und
großzügigem Bahnanschluß, die das Naherholungsgebiet Haard auf großer Fläche zerstört. Man demonstriert
am Ort des Geschehens, bemüht die Presse und dekoriert die Straßenbäume an der Bundesstraße 51 mit
Schildern, die gegen das Teufen der Schächte mobil machen sollen.
Auf dem Schachtgelände Haltern errichtet das Bergwerk General Blumenthal eine jedermann zugängliche
Informationsbaracke. Hier soll nun die Öffentlichkeit über die wahren Planungsabsichten unterrichtet werden.
Ein großes Relief zeigt die schonende Einbeziehung der bergmännischen Anlagen in die bestehende
Waldlandschaft. Die Schächte selbst sind in ihrer technischen Ausführung dargestellt. Umfangreiches
Bildmaterial und Handzettel informieren über all das, was hier geschehen soll. Das Interesse der Bevölkerung
ist erfreulich hoch. Nicht nur die Spaziergänger an den Wochenenden nehmen die Gelegenheit wahr, sich
einmal "vor Ort" selbst eine Meinung bilden zu können.
Im Schacht 8 sind im März die Teufarbeiten mit dem Erreichen der
Sumpfsohle abgeschlossen. Der Schacht ist um 146,5 m tiefer
geteuft worden und hat nun eine Gesamtteufe von absolut 1.129,5 m.
Nach dem Abbau des Abteufgerüstes erfolgt die Montage des
endgültigen Förderturmes sowie der Fördermaschine und des
Hilfsfahrhaspels. Am 30. Juni wird Richtfest gefeiert.
Für die künftige Bergeförderung erhält der Schacht eine
Skipförderanlage.Die Arbeitsgemeinschaft
"Streckenvortriebsmaschine General Blumenthal" nimmt auf der 10.
Sohle die Arbeiten für die Vollschnittauffahrung auf und beginnt am
01. Oktober mit der Montage der
Robbins-Streckenvortriebsmaschine vom Typ 220/202.
Vor dem Anschnitt hat die Öffentlichkeit am 24. November an einem
"Tag der offenen Tür" Gelegenheit, die Maschine unter Tage in ihrer
Startposition zu bewundern. Eingeladen sind die Bewohner der in der
Nähe des Schachtes 8 liegenden Honermann-Siedlung, Vertreter
von Behörden, Parteien und Verbänden sowie interessierte
Belegschaftsmitglieder und ihre Angehörigen. Das Echo ist recht
beachtlich. 766 Gäste nehmen die Gelegenheit wahr. Nach der
Grubenfahrt gibt es eine deftige Erbsensuppe mit "Einlage". An den
Durst ist auch gedacht.
Am 03. Dezember schließlich läuft die Auffahrung an, zunächst beziffert auf eine Länge von 10.540 m. Der
Bohrkopf hat einen Durchmesser von 6,5 m und stellt so einen Querschnitt von 33 m2 her. Er wird mit einer
Leistung von 720 kW angetrieben und dabei mit einem Andruck von 640 t gegen die Ortsbrust gepreßt.
Diskenmeißel zerstören beim Drehen des Bohrkopfes das Gestein, das auf der Sohle von Becherwerken
aufgenommen und an der höchsten Stelle auf ein Gummigurtband abgeworfen wird. Die Maschine selbst wiegt
200 t und ist 20 m lang.
Wegen der kurzen Startröhre können der
Nachläufer mit den Hilfsaggregaten und die
Kabelund Schlauchspeicher erst nach und nach
eingebaut werden. Die gesamte maschinelle
Anlage hat dann eine Länge von 520 m. Die
installierte Gesamtleistung beträgt 1.200 kW.
Vortriebsmaschine, Strecken- und
Schachtförderung sind auf eine Auffahrung von 2
m je Stunde ausgelegt.
Für die Bergeabförderung stehen
Bodenentleererwagen mit einem Inhalt von 10 m3
zur Verfügung. Hinter der Vortriebsmaschine wird später das endgültige Gleis mit einer Spurweite von 1.000
mm und einem Schienenprofil S 49 montiert. Der Zugbetrieb kann allerdings erst ab einer Auffahrlänge von
etwa 270 m aufgenommen werden. Bis dahin erfolgt die Abförderung der Berge zum Schacht über eine
Bandanlage. Dann aber werden die Züge mit jeweils 11 Wagen laufen. Ein Zug faßt so die Berge von 2 m
Auffahrung. Ende des Jahres steht der erste Gliederzug bereit.
Die Bergbau AG Lippe läßt anläßlich der Vorbereitungsarbeiten für das Abteufen der Schächte Haltern 1 und 2
sowie der angelaufenen Ausrichtung mit der
Vollschnittmaschine auf der 10. Sohle eine Medaille prägen.
Die Förderung läuft auf dem Bergwerk General Blumenthal auf
vollen Touren. Bei einer Jahresproduktion von fast 2,5 Mio tvF
liegt nun auch die Tagesförderung wieder über der 10.000
t-Marke und das bei nur 6 Gewinnungsbetrieben im
Jahresmittel. Das Bergwerk fährt in seinem Betriebsergebnis
deutlich in der Gewinnzone.
Fünf Streben laufen neu an, davon drei im Baufeld C III in den
Flözen Dickebank und Röttgersbank.
Erstmals wird in Flöz Dickebank (Feld C III) bei der Herstellung
eines Aufhauens sofort der endgültige Strebausbau
eingebracht. Auch der Vorortausbau besteht aus 3
Schreitausbaueinheiten.
Im gleichen Baufeld läuft in der Kohlenabfuhrstrecke des Flözes Röttgersbank eine Gurtbandanlage über eine
Endlänge von 1.200 m ohne Zwischenübergabe bei einer Hubhöhe von 70 m.
Zur Stabilisierung des Streckenausbaus und zur Sicherung des Streckensaums geht man in den Kopf- und
Kohlenabfuhrstrecken verstärkt dazu über, Begleitdämme aus Stöcker-Mörtel einzubringen.
In zunehmenden Maße werden zur Verhütung von Gebirgsschlägen im erweiterten Vorfeld der Strebfronten
Entspannungsbohrungen durchgeführt.
Alle mit zecheneigener Mannschaft ausgerüsteten Streckenvortriebe sind nun entweder mit Bohrwagen oder
mit Arbeits- und Bohrbühnen ausgerüstet. Die 51 kg schweren Montabert-Bohrhämmer werden durch neue
Bohrgarnituren der schweizer Firma SIG ersetzt, die bei gleicher Leistung nur noch 43 kg wiegen. Im Feld C III
läuft in der vorab aufgefahrenen Kopfstrecke des Flözes Dickebank ein elektro- hydraulischer Bohrwagen vom
Typ Promec TH 487 der Firma Atlas Copco.
Die rechnergesteuerte Zuglaufoptimierung in der automatischen Lokomotivförderung wird um die
Fahrgeschwindigkeitsregelung in langen Streckenabschnitten in Abhängigkeit vom jeweiligen Leerwagenstand
am Schacht 11 und an den Ladestellen durch den Rechner erweitert. Auch erfolgen Analysen der Leistungen
des Schachtes und der Gewinnungsbetriebe.
Für die Gleisunterhaltung stehen im Feld General Blumenthal ab Mai die ersten 10 Großraumschotterwagen mit
3 m3 Fassungsvermögen zur Verfügung. Die mit Kurzkupplungen bestückten Wagen können wahlweise durch
den Boden oder nach beiden Seiten entleeren.
Der Anteil der Gurtbandförderer, die für die Personenbeförderung ausgelegt sind, beträgt nun, bezogen auf die
Gesamtlänge der Bänder, fast 50%.
Das mit der Firma Gew. Walter (Essen) in Durchführung stehende Forschungsvorhaben
"Abbaubereichserkundung im Steinkohlengebirge durch Horizontalbohrungen großer Länge" läuft auch im
Berichtsjahr zügig weiter. Zunächst fahren im März Bergwerksdirektor Nehrdich, Dipl.-Ing. Bernauer und von der
Firma Gewerkschaft Walter Geschäftsführer Sparenberg nach Südafrika zum Bergwerk Secunda der
Gesellschaft SASOL. Dort stellt man seit einiger Zeit horizontale Vollbohrungen bis zu 600 m Länge in harter
Steinkohle her. Ein Erfahrungsaustausch mit den Ingenieuren auf Secunda soll die eigenen Arbeiten fördern.
Ende Juli erreicht dann auf General Blumenthal
die Bohrung 3 eine bis dahin im
Steinkohlengebirge noch nie erbohrte
Endlänge von 1.058,5 m. Das verbesserte
Steuersystem begrenzt die Abweichung in der
Vertikalen auf 1,08 % und in der Horizontalen
auf 1,96%. Dabei gelingt erstmalig eine
Neigungskorrektur auf kurzer Distanz ohne
Einsatz eines Bohrlochsohlenantriebes.
Erfreulich ist auch der bei den bisher
durchgeführten Bohrungen mit fast 99% recht
hohe Kerngewinn.
Vermessungssteiger Heinz Fuchs entwickelt
bei den weiteren Forschungsarbeiten zwei
neuartige Navigationsgeräte. Dabei handelt es
sich einmal um ein Bohrlochvermessungsgerät, mit dem neben der Neigung auch die vertikale Abweichung in
ferromagnetischer Umgebung, also im Bohrgestänge, gemessen werden kann. Zum anderen ist es eine
einfache Einrichtung zum Ziehen von orientierten Bohrkernen.
Das in das Vorhaben eingebundene Institut für Tiefbohrkunde und Erdölgewinnung in Clausthal stellt im
Berichtsjahr ein schlagwettersicheres Gerät zur Erfassung der Bohrparameter fertig.
Die Planung befaßt sich im Berichtsjahr neben einer Fülle von Einzelobjekten hauptsächlich mit der Gestaltung
der Grubenbaue im Bereich der Schächte Haltern 1 und 2, mit der Konzipierung der Anschlußbaue zur Lösung
der Kohlenvorräte im Baufeld C III Nord sowie mit der Auslegung der Doppelladestelle im 9. Querschlag auf der
7. Sohle für die Kohlenartentrennung der Förderung aus dem Feld Haltern.
Die Wohnungswirtschaft meldet die Fertigstellung der 31 Altenwohnungen in der Breslauer Straße sowie den
Bezug von weiteren 15 Wohnungen für Senioren in der Hinsbergstraße.
Am 31. März geht Elektro-Obersteiger Karl-Heinz Göing in den Ruhestand. Die Leitung der Elektroabteilung
unter Tage übernimmt nun zum 01. April Elektro-Fahrsteiger Werner Mücher, der zum Elektro-Obersteiger
befördert wird.
Werksarzt Dr.med. Karl-Heinz Rumphorst scheidet am 30. Juni nach Vollendung
des 60. Lebensjahres aus dem aktiven Dienst aus und zieht nach Bad
Reichenhall. Am 01. Juli wird die Internistin Dr.med. Krings Werksärztin, aber
nur bis zum 30. September. Dann übernimmt ab 01. Oktober Dr.med. Martin
Lindtge die Aufgaben des Werksarztes.
Am 30. September geht Wetterfahrsteiger Hans Christensen in den Ruhestand.
Fahrsteiger Diedrich Hilgenstock wird zum 01. Oktober Leiter der
Wetterabteilung unter Tage.
Am 31. Oktober erfolgt die Versetzung von Betriebsdirektor Dr.rer.nat.
Hans-Ludwig Jacob zur Hauptverwaltung der BAG Lippe. Er wird dort Leiter der
Abteilung "Neue Bergwerke".
Betriebsdirektor für den technischen Bereich wird ab 01. November Dr.-Ing.
Günter Heidelbach. Er kommt von der Abteilung T 1.4 der Hauptverwaltung der
BAG Lippe.
In Recklinghausen-Hochlarmark wird am 17. November die Ausstellung "Kohle war nicht alles..." eröffnet.
Das dritte Prosper-Hospital - es steht auf dem Gelände des alten "Neuen Prosper-Hospitals" - nimmt im
Berichtsjahr seinen Betrieb auf.