Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1978
In den westlichen Industrieländern verstärken sich die konjunkturellen Auftriebskräfte. Die Bundesrepublik
Deutschland registriert einen Anstieg des Bruttosozialproduktes um 3,4%. Damit steigt auch der
Energieverbrauch wieder. In der Bundesrepublik erhöht sich die Rohstahlerzeugung um 41,3 Mio t und das
sorgt für eine deutliche Belebung auf dem Kokskohlenmarkt. Der Beitrag der Steinkohle zur Stromerzeugung
steigt gegenüber dem Vorjahr um 10%.
In der Bundesrepublik nehmen die Bergbaugesellschaften - im Gegensatz zur Entwicklung in den übrigen
kohlefördernden Ländern außerhalb der Gemeinschaft- wegen der hohen Lagerbestände die Förderung um
rund eine Mio t auf 83,5 Mio t Kohle zurück. Es liegen zum Jahresende noch 19,1 Mio t Kohle und Koks auf
Halde, 6,5 Mio t weniger als im Vorjahr.
Wieder werden Stimmen laut, die diese Bestände als nationale Sicherheitsreserve sehen, unter Hinweis auf
die Auswirkung des Machtwechsels im Iran und auf den Reaktorunfall in Harrisburg in den USA.
Die im Vorjahr getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Bergbau und der Elektrizitätswirtschaft finden ihre
Fundierung im Dritten Verstromungsgesetz und führen zu einem Absatz inländischer Steinkohle an Kraftwerke
von 32,3 Mio t.
Die Ruhrkohle AG profitiert von dieser Entwicklung und setzt bei einer auf 61,2 Mio t zurückgenommenen
Förderung 64,2 Mio t Kohle und Koks ab.
Die Absatzbelebung verbessert zwar die Beschäftigung der Betriebe; die Auslastung der
Produktionskapazitäten bleibt insgesamt aber noch unbefriedigend.
Am 31. März wird das Bergwerk Friedrich der Große in Herne stillgelegt.
Im Berichtsjahr schließen auch nachstehende Kokereien:
– König Ludwig in Recklinghausen (am 19.April),
– Friedrich Heinrich in Kamp-Lintfort (am 10.Juni) und
– Grimberg 1/2 in Bergkamen (am 12.Juni).
Die Gesellschaft betreibt in allen Betriebsbereichen zahlreiche Forschungsvorhaben mit dem Ziel, die
Wirtschaftlichkeit der Betriebe zu verbessern und neue Technologien zu entwickeln. Rund 400 Mio DM werden
dafür im Berichtsjahr aufgewendet. Das sind mehr als 3% des gesamten Konzernumsatzes.
In diesem Rahmen gelingt es auch erstmals, einen
Blindschacht im Vollbohrverfahren abzuteufen und das
Bohrklein hydraulisch abzufördern.
Am 01. Juli startet das Bergwerk Haard. Die
eigentlichen Arbeiten für das Teufen des Schachtes An
der Haard 1 beginnen Anfang August. Am 28. April
erfolgt die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes "An
der Haard/Haltern".
Es ist schon interessant, was unter den gegebenen
Bedingungen an einzelnen Zulassungen und
Genehmigungen für die geplanten Haltern-Schächte
noch einzuholen ist.
Dazu hier eine kurzgefaßte Auflistung, die nur das Berichtsjahr berücksichtigt:
– Zulassung des Einzelbetriebsplanes für das Herrichten des Abteufgeländes (29.Juni 78)
– Genehmigung zur Umwandlung von Waldgrundstücken in eine andere Nutzungsart (06.Juli 78)
– Zulassung des Sonderbetriebsplanes für das Abteufen des Schachtes Haltern 1 (07.Juli 78)
– Ausnahmegenehmigung von der Landschaftsschutzverordnung erteilt (20.September 78)
– Gestattungsvertrag zur Inbesitznahme von 55.100 qm Fläche mit dem Siedlungsverband
Ruhrkohlenbezirk abgeschlossen (27.September 78)
– Zulassung des Einzelbetriebsplanes "Frischwasserversorgung“ (30.Oktober 78)
– Zulassung des Einzelbetriebsplanes "Energieversorgung“ (30.Oktober 78)
– Zulassung des Einzelbetriebsplanes "Erd-,Wege- und Entwässerungsbau" (05.Dezember 78)
An dieser Stelle sei einmal gegenübergestellt, wie einst der Gesamtbetriebsplan für das Abteufen des im
Stadtgebiet Recklinghausen liegenden Tagesschachtes 3 im Sommer 1895 ausgesehen hat.
Damals erfolgte der erste Spatenstich am 22. Juni jenes Jahres. Der schlichte und recht kurz gefaßte Antrag
vom 06. Juni 1895 (das Datum des Betriebsplanes vom 6. Juli ist ein Schreibfehler, da die Zulassung auf den
22. Juni datiert ist, den Tag des ersten Spatenstichs) war mit nur einer einfachen Skizze ausgestattet. Die
Zulassung erfolgte ohne weitere Auflagen mit nur einem Satz. Man muß sich nicht unbedingt der Auffassung von
sachkundigen Experten anschließen, die behaupten, der Plan sei wohl in der Kaue ausgehandelt worden. Die
Zeiten haben sich geändert. Aber nun wieder zurück zum Berichtsjahr 1978.
Im Mai werden zum Projekt Haltern die vorbereitenden Arbeiten in Angriff genommen. Zunächst stellt man die
Verbindung des Schachtplatzes mit der Bundesstraße 51 her, richtet einen Bohrplatz ein und erstellt in der
Nähe des Schachtes Haltern 1 die Tiefbohrung Haltern 13 mit einer Teufe von 911 m. Damit sollen die
Gefrierteufe und die Teufe der Mergelsohle festgelegt werden. Danach erfolgt das Roden des insgesamt etwa
9,5 ha großen Schachtgeländes. Nach dem Planieren des Schachtplatzes werden die Nord- und die
Mittelstraße einschließlich der Kanalisation angelegt und die Kabel für die Energieversorgung vom
Schachtplatz bis zur Trafostation Flaesheim verlegt.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal erstellt man nach Abschluß der Explorationsbohrungen unter
Berücksichtigung der anderen Projektionen die Zuschnittsplanung für das neue Baufeld Haltern.
Die Planung von Linienführung, Lage, Niveau und
Ausführung der Grubenbaue von der Mergel- und
Hauptwettersohle wird abgeschlossen. Dazu gehört
auch die Konzipierung der geplanten
Anschlußbauwerke vom Bergwerk Auguste Victoria
bis zum Schacht Haltern 1 zur Lösung der
Kohlenvorräte im Feld Haltern Nordwest für die
Wetterführung.
Die Führung und Lage der 10. Sohle mit dem
Anschluß an die Schächte Haltern 1 und Haltern 2
werden im Hinblick auf die geplante
Vollschnittauffahrung im Sommer neu festgelegt.
Bei der Wahl des Fördersystems für das Baufeld Haltern entscheidet man sich für die Gleisförderung.Dafür
sprechen insbesondere folgende Gründe:
– Große Entfernungen in söhligen Strecken.Bei mehr als rd.5 km Entfernung von Förderschacht
oder hier von der Kippstelle wird die gleisgebundene Förderung sowohl in den Anlagen - als auch
in den Betriebskosten der Bandförderung überlegen. Nach der derzeitigen Planung wird die
maximale Entfernung etwa 15 km betragen.
– Möglichkeit der Kapazitätserhöhung,
– Möglichkeit der stufenweisen Anpassung an die maximale Fördermenge,
– Vergleichmäßigung der Fördermengen durch stationäre und mobile Bunker,
– Möglichkeit der Kohlenartentrennung,
– weitgehende Kornschonung,
– kapazitative Abstimmung mit den Einrichtungen der Förderanlagen in Schacht und Strecken sowie
– getrenntes Fördern der Grobberge aus den Vortrieben.
Im November schließlich erhält die Firma Deilmann-Haniel GmbH in Dortmund -gemeinsam mit der Firma
Gebhardt und Koenig Deutsche Schachtbau GmbH, Essen - den Auftrag zur Herstellung des Schachtes Haltern
1, für den die Ruhrkohle AG Investitionskosten von rd.50 Mio DM bewilligt. Es ist der zweite der in der Haard
geplanten 4 Schächte. Bei einem Durchmesser von 8 m soll seine Endteufe 1.135 m betragen. Im Bereich der
nicht standfesten Schichten muß bis zu einer Teufe von 217 m das Gefrierverfahren angewendet werden. Die
Gefrierbohrlöcher sollen eine Teufe von 248 m haben. Der Schacht erhält hier einen wasserdichten Ausbau, der
aus einem Stahlbetonzylinder mit außenliegendem geschweißten Mantel aus Stahlblech bestehen soll.
Unterhalb dieses Bauabschnitts steht der Schacht in Betonausbau.
An Schacht 8 erstellt man auf der 10. Sohle die Schachtglocke und fährt die Montagekammer und Startröhre für
die Vollschnittmaschine auf.
Trotz der außerordentlich hohen Vorleistungen können die betrieblichen Leistungszahlen mit denen des guten
Vorjahres in etwa gleichziehen. Das Betriebsergebnis liegt sogar deutlich im Plus. Es ist dabei zu bemerken,
daß im Jahresmittel rd. vier Strebumzüge anfallen. Das bedeutet, daß jährlich mehr als die Hälfte der laufenden
Gewinnungsbetriebe, deren Tagesförderung jeweils über 1.000 tvF liegt, umziehen muß.
Der Schwerpunkt in der Gewinnung verlagert sich zunehmend in das Baufeld C II/III unterhalb des 9.
Querschlages nach Norden, der ab Mai weiter aufgefahren wird.
Für das Feld B I liegt die Einzelplanung für die Anschlußbaue zur Lösung der Kohlenvorräte in den Flözen
Wasserfall und Sonnenschein vor. Gleiches gilt für die Ausführung der Grubenbaue zur Förderung und
Wetterführung bei einem Abbau in Feld B I unterhalb der 9.Sohle.
Am 02. Februar besucht der Vorsitzende der CDU-Fraktion und Führer der Opposition im Bundestag, Dr.
Helmut Kohl, begleitet von seiner Gattin Hannelore und Mitgliedern des Bundestages, das Bergwerk General
Blumenthal. Der Vorsitzende des Vorstandes der Ruhrkohle AG, Dr.Bund, der Vorsitzende des
Gesamtbetriebsrates, Preuß sowie der Vorstandssprecher der BAG Lippe begrüßen die Gäste. Den
einführenden Vortrag hält Bergwerksdirektor Nehrdich. Die anschließende Grubenfahrt führt zur Zugleitstelle auf
der 7. Sohle und zum Streb in Flöz Karl 1 nach Osten (Blindschacht 952). Eine Pressekonferenz im
Rettungslager der Grubenwehr über Tage rundet den Besuch ab. Der Oppositionsführer erklärt, daß er sich
einer positiven Kohlepolitik verpflichtet fühle.
Die Bekämpfung des bei der Gewinnung anfallenden Kohlenstaubs bringt die Einführung eines Systems, bei
dem die Bedüsung durch Steuerung über den Hobelwegmesser erfolgt. Das bedeutet rationelle Wasserzugabe
gezielt an der Entstehungsstelle des Staubs.
Bei der Streckenauffahrung kommen erstmals neue Arbeitsbühnen der Firma VIBRU in Pontonbauweise zum
Einsatz. Durch das angewendete Baukastenprinzip ist nun eine Anpassung an unterschiedliche
Streckenquerschnitte möglich.
In der Hauptstreckenförderung findet das langjährige Projekt "Rechnergesteuerte Zuglaufoptimierung" seinen
Abschluß. Die 1967 beschafften Automatik-Loks der Firma BBC haben zum Jahresende eine Fahrleistung von
über 400.000 km erreicht. Das ist mehr als die Entfernung Erde - Mond; und das, ohne daß es zu Ausfällen
oder Motorschäden gekommen ist.
In der Zugleitstelle geben Farbmonitore detaillierte Auskunft über den Wagenstand an den Ladestellen und in
den Strecken sowie über den bisherigen Ablauf und den aktuellen Stand der Produktion. Auch der Knoten
Ostfeld wird nun in die bestehende Fernsehüberwachung eingebunden. Die Kameras sind auf die zentrale
Zugleitstelle geschaltet.
Mehr als 30 km Strecke sind auf der 7. Sohle
zweigleisig für die automatische Zugförderung
ausgelegt. Das macht eine mechanisierte Unterhaltung
des Gleissystems erforderlich. Die Firma Plasser und
Theurer in Wien erhält so den Auftrag für den Bau einer
Gleisstopfmaschine. Auch eine Gleisverlegeeinrichtung
ist in der Planung. Die Firma Windhoff in Rheine will die
Konstruktion und den Bau übernehmen. Die Firma Unkel
und Meyer in Wattenscheid baut neue
Großraumschotterwagen für die Unterhaltung des
Gleisnetzes.
Die Bohrversuche mit der Gewinnungsbohrmaschine
erfolgen in Flöz Sonnenschein in der 4. Richtstrecke auf
der 7. Sohle. Es werden noch 4 Bohrungen erstellt. Die
Maschine arbeitet in allen Bereichen einwandfrei. Die
Bohrkronen beweisen in dem nur 80 cm mächtigen Flöz
zuverlässig ihre Flözgängigkeit. Die Gewinnungsbohranlage ist nun betriebsreif. Eine weitere Verwendung auf
dem Bergwerk General Blumenthal ist jedoch derzeit nicht mehr möglich, da keine steilgelagerten Flöze mehr
abgebaut werden. Es wird geprüft, ob auf anderen Bergwerken der Gesellschaft Möglichkeiten für einen
Einsatz bestehen. Über Aufbau und Funktion der Bohranlage wird ein Farbtonfilm mit einer Spieldauer von rd.
35 Minuten gedreht. Das Forschungsvorhaben findet damit seinen Abschluß.
Bei dem im Vorjahr angelaufenen Entwicklungsvorhaben zur Erstellung von horizontalen Kernbohrlöchern bis zu
1.000 m Länge im flözführenden Steinkohlengebirge erreicht man bereits beim ersten Bohrloch über Tage im
Steinbruch im Hammertal mit einem nicht stabilisierten Bohrstrang eine Länge von 562 m, allerdings bei einer
Vertikalabweichung von 22 m. Nach Ansatz der zweiten, aus dem ersten Bohrloch bei 350 m ausgelenkten
Bohrung, mit versteiftem Strang beträgt die vertikale Abweichung bei 565 m noch 3 m. Diese Längen sind
bisher beim horizontalen Kernbohren noch nirgendwo erreicht worden.
Wegen der durch die Oberflächennähe bedingten Schwierigkeiten bricht man die Übertageversuche vorzeitig
ab und verlegt die Arbeiten in den Untertagebereich des Bergwerks General Blumenthal. Hier erfolgt im
September im 5. Querschlag auf der 7. Sohle in der Nähe des Blindschachtes 751 der Ansatz der ersten
Bohrung.
Es hat sich bereits bei den Übertageversuchen gezeigt, daß ein einfaches Versteifen des Bohrstranges nicht
ausreicht, um die Vertikalabweichung in Grenzen zu halten. So versucht man nun, mit Hilfe einer
Schwerpunktsteuerung der Bohrkrone eine Tendenz nach oben oder unten zu vermitteln. Das soll durch
entsprechend angeordnete Auflager (Stabilisatoren) auf den ersten 15 m hinter der Bohrkrone erfolgen.
Noch bedarf das neue Steuersystem erheblicher Verbesserungen und so endet das erste Bohrloch bei 807 m
Länge etwa 73 m unterhalb der Sollinie.
Die Bemühungen, eine schlagwettersichere Stromzuführung für den Betrieb von Fahrdrahtlokomotiven in
Fahrdrahtschutzbezirken zu entwickeln, müssen wegen des hohen Druckluftverlustes in dem ummantelten
Fahrdraht vorläufig als gescheitert angesehen werden.
Die Belegschaft beteiligt sich zunehmend mit Interesse an möglichen Verbesserungen im Betrieb. Für
Verbesserungsvorschläge werden mehr als 23.000,- DM an Prämien ausgeschüttet.
Nicht nur "hauseigene" Projekte stehen an. Im Auftrag der Ruhrkohle Montan Consulting erarbeitet die
Stabsstelle eine Neukonzeption für den Zuschnitt der Steinkohlenlagerstätte Naricual/Nuevo Mundo in
Venezuela.
Das Bergwerk General Blumenthal nimmt bei der Ausbildung des bergmännischen Nachwuchses weiterhin
eine Spitzenstellung ein. Im Berichtsjahr registriert man 509 Jugendliche. Das sind mehr als 19% der
Untertagebelegschaft. Dazu kommen 60 Ingenieurund Bergfachschüler. Daneben laufen Betriebspraktika
sowie Berufseinführungslehrgänge und Ausbildungsabschlußprüfungen.
In der Breslauer und der Stettiner Straße sind 31 Wohnungen für Senioren im Bau.
Am 01. Januar wird Betriebsführer Alois Dierkes vom Bergwerk Mont Cenis zur Stabsstelle des Bergwerks
General Blumenthal versetzt. Er übernimmt hier die Überwachung der Arbeiten für die Erstellung der Haltern
-Schächte und der Vollschnittauffahrung.
Bergwerksdirektor Jürgen Nehrdich feiert am 01. Juni sein 25-jähriges Bergmannsjubiläum.
Obersteiger Oskar Raddatz beendet am 30. September seine beruflichen Aktivitäten.
Zum gleichen Zeitpunkt wechselt der Sicherheitsbeauftragte des Bergwerks, Obersteiger Günther
Regenbogen, ins Privatleben. Die Leitung der Sicherheitsabteilung geht in die Hände von Fahrsteiger
Eberhard Lipski über.
Am 31. Dezember geht der langjährige Leiter des Maschinenbetriebes unter Tage, Maschinen-Obersteiger
Walter Pothmann, in den Ruhestand. Seine Aufgaben übernimmt Maschinen-Fahrsteiger Klemens Frohleiks,
der bald darauf zum Maschinen-Obersteiger befördert wird.
Im Verlauf des Jahres scheiden auch die Fahrsteiger Willi Bargel (Maschinenbetrieb unter Tage), Friedrich
Albrink und Alfred Höfer aus dem aktiven Dienst aus.
Nach dem Tod von Konrad Brandau wird Günter Bartz Vorsitzender des Betriebsrats.