Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1977
Die konjunkturelle Erholung der westlichen Industrienationen kommt nur langsam voran. Weltweit deckt die
Kohle rund ein Drittel des Energiebedarfs, in der Europäischen Gemeinschaft noch 19%. Der
Steinkohlenbergbau der Gemeinschaft sieht sich einem zunehmenden Druck von Importkohle gegenüber.
Während noch 1973 nur 31 Mio t Kohle aus Drittländern eingeführt wurden, sind es nun 45 Mio t. An den Rat der
Europäischen Gemeinschaft ergeht ein Memorandum - verfaßt vom Präsidenten des Studienausschusses des
westeuropäischen Kohlenbergbaus, Dr.Bund, - in dem gefordert wird, den Zustrom von Kohle aus Drittländern
einzudämmen und eine Menge von 8 bis 10 Mio t durch Kohle aus der Gemeinschaft zu ersetzen.
In der Bundesrepublik Deutschland führen einmal das geringe wirtschaftliche Wachstum in Verbindung mit
einem milden Winter, insbesondere aber die nun schon seit mehr als drei Jahren andauernde Krise auf dem
westeuropäischen Stahlmarkt zu einer Stagnation des Primärenergieverbrauchs.
Die Norweger beginnen im September mit der Erdgaslieferung über Rohrleitungen vom Gasfeld Ekofisk in der
Nordsee zur deutschen Küste.
Die Elektrizitätswirtschaft und der Steinkohlenbergbau unterzeichnen am 10. Mai eine langfristige
Liefervereinbarung, die für den Zeitraum 1978 bis 1987 eine wirksame Absatzstabilisierung bedeutet. Die
Ruhrkohle AG erwartet hieraus in den kommenden 10 Jahren einen Absatz von durchschnittlich 25 Mio t und
damit einen wesentlichen Beitrag zur langfristigen Erhaltung von 180.000 Arbeitsplätzen im Bergbau und in den
damit direkt verbundenen Wirtschaftszweigen.
Die Ruhrkohle AG hat die schwache Stahlkonjunktur mitzutragen. Dazu verursacht ein schwacher Dollar ein
spürbares Absinken der Weltmarktpreise. Um die Märkte zu halten, müssen Erlöseinbußen in Kauf genommen
werden. Der Absatz an Kohle und Koks geht um etwa 7,4 Mio t zurück. Zehn Kurzarbeitstage bewirken einen
Förderausfall von 2,4 Mio t. In größerem Umfang werden Schichten vom Abbau in den Vorleistungsbereich
verlagert. Dies alles und die zunehmenden Lagerkosten lassen ein ausgeglichenes Ergebnis nicht zu. Nach
Einsatz von Bilanzreserven von 525 Mio. DM verbleibt noch ein Jahresfehlbetrag von 10 Mio DM.
Der Schacht Prosper 10 in Bottrop-Kirchhellen wird geteuft. Das Bergwerk Hugo in Gelsenkirchen teuft den
Schacht 9 und am 11. Oktober erfolgt der erste Spatenstich für den Schacht "An der Haard 1" in Ahsen. In
Dortmund aber wird am 29.November nach umfangreichen Umstellungsarbeiten mit dem Bergwerk Hansa die
erste Hydrogrube Westeuropas in Betrieb genommen.
Vier Kokereien stellen ihre Produktion ein:
– Kokerei Radbod in Hamm (am 08. Januar),
– Kokerei Hugo in Gelsenkirchen (am 31. Januar),
– Kokerei Königsborn in Unna (am 15. November) und
– Kokerei Friedrich Thyssen 4/8 in Duisburg (am 15. November).
Der Umweltschutz gewinnt an Bedeutung. Die Ruhrkohle AG investiert dafür im Berichtsjahr 190 Mio DM.
Das Projekt Haard/Haltern wird mit aller Energie forciert. Der Aufsichtsrat bewilligt zwar im Januar 65 Mio DM
für das Abteufen des geplanten Schachtes "An der Haard 1". Damit ist aber der Weg noch lange nicht frei.
In einer Fernsehdiskussion zwischen dem Vorstandsmitglied Herbert Kleinherne und dem Sprecher des
Grünflächenvereins Horst Ley sieht Ley die Arbeitgeber und die Gewerkschaft eng verbündet. Er behauptet,
andere Standorte der Schächte seien gar nicht erst erwogen worden, spricht sich auch gegen Seilfahrt- und
Materialschächte in der Haard aus und will ökologische Gutachten sehen.
Landesminister Dieter Deneke spricht sich für das Projekt aus.
Die Behörden beauftragen einschlägige Institutionen mit der Erstellung je eines bergmännischen, eines
arbeitsphysiologischen sowie eines lärm- und erschütterungstechnischen und eines ökologischen Gutachtens.
Prof. Reuther von der Technischen Hochschule Aachen bestätigt den bergtechnisch richtigen Standort des
Schachtes "An der Haard 1".
Prof. Rutenfranz aus Dortmund unterstreicht nachhaltig die arbeitsphysiologische Notwendigkeit des neuen
Schachtes.
Der "Technische Überwachungsverein" sieht für den Betrieb die Schallpegelrichtwerte erfüllt. Auch die
Landesanstalt für Ökologie ist einverstanden und rät, den Schacht in eine Mulde zu legen, keine hohen
Betriebsgebäude zu errichten, das Betriebsgelände abzuschirmen, den Autoverkehr zu minimieren und die
anfallenden Abwässer geschlossen abzuleiten.
Im Mai sprechen sich der Führer der Christdemokraten im Landtag, Heinrich Köppler, das Landtagsmitglied
Rudi Nickels und der Gelsenwasser-Vorstand Dr.Benno Weimann anläßlich einer Grubenfahrt auf den
Bergwerken General Blumenthal und Ewald Fortsetzung eindeutig für das Projekt aus.
Das Bergamt Marl schließlich erteilt im Juli die Zulassung für das Abteufen des Schachtes "An der Haard 1".
Das Anhauen erfolgt am 11. Oktober.
Das Bergwerk General Blumenthal kann die guten Ergebnisse des Vorjahres nicht erreichen. Geologische
Störungen in einigen Streben drücken Förderung und Leistung. Besonders die mehrfach gestörte erste
Bauhöhe nach Westen in Flöz Dickebank im 5. Querschlag unterhalb der 7. Sohle hat erschwerte
Abbaubedingungen, da diese durch die Flöze Wasserfall und Sonnenschein bereits zweimal unterbaut worden
ist.
Überdurchschnittlich hoch ist auch der Aufwand in der Aus- und Vorrichtung. Hier wird gegen Ende des Jahres
parallel zum 9. Querschlag auf der 7. Sohle der Gesteinsberg zur 10. Sohle im Baufeld Haltern angesetzt. Durch
diesen Berg werden nach Aufnahme des Abbaus im Baufeld Haltern sämtliche dort gewonnenen Kohlen zur 7.
Sohle gehoben und an der Ladestelle 2 im 9. Querschlag nach Norden der automatischen Lokomotivförderung
übergeben.
Der Querschlag auf der 10. Sohle ist noch nicht vorhanden. Die Auffahrung wird erst ab 1979 maschinell im
Vollschnitt erfolgen.
In der automatischen Hauptstreckenförderung beginnt der Ausbau der 4. Automationsstufe. Für die
Zuglaufoptimierung wird eine EDV-Anlage erstellt. Dabei erhält der Siemens-Rechner Informationen über
Hobellaufzeiten, Bandbelegung, Bunkerstände, Wagenbestand an den Ladestellen und Belegtzustände der
Blockabschnitte. Aus diesen Daten ermittelt der Rechner im Endausbau u.a. die Ladestellen, die als nächste
mit Leerwagen versorgt werden müssen.
Das zugehörige Fernwirksystem TF 200 der Firma Funke und Huster in Herne liefert die erforderlichen
Informationen und führt diese dem Rechner zu.
Die Automatisierung rückt nun bis in den Abbaubereich vor. In der Kohlenabfuhrstrecke des Flözes Dickebank
im Feld B I wird eine Strebsteuerwarte "System Bergbauforschung" installiert. Von dieser aus erfolgt die
Steuerung des Hobels und des Strebförderers, die Messung des Hobelwegs und des Abbaufortschritts sowie
die Meßwertübertragung.
In den Kohlenabfuhrstrecken der Abbaubetriebe Flöz Wilhelm und Flöz Dickebank im 3. und 5. Querschlag
unterhalb der 7. Sohle erprobt man erfolgreich einen neuen Band-Zwischenantrieb nach dem TT-System. Ein
Zwischenantrieb ermöglicht größere Achsabstände oder Förderhöhen bei gleicher Förderleistung. Die Zahl der
Bandübergabestellen mit all ihren Nachteilen wie zusätzlicher Antrieb, Zerkleinerung des Fördergutes und
Staubanfall wird reduziert. In Flöz Wilhelm beträgt der Achsabstand -vorher 800 m- nun 1.400 m. Allerdings
erfolgt auf dem Untergurt an dieser Stelle eine Unterbrechung des Personentransports.
Um die länger werdenden Fahrwege für den Bergmann zu erleichtern, soll dieser auch fahren können, wo
immer es möglich ist. So sind nun 46 Bänder für die Personenbeförderung ausgelegt, davon 7 für die Bandfahrt
auf Ober- und Untergurt.
Im Rahmen eines Forschungsvorhabens wird das Projekt "Horizontalbohren" neu gefaßt und genehmigt. Der
Titel lautet nun "Abbaubereichserkundung im Steinkohlengebirge durch Horizontalbohrungen großer Länge". In
das Vorhaben wird auch das Institut für Tiefbohrkunde, Erdöl- und Erdgasgewinnung der Technischen
Universität Clausthal eingebunden. Nach erster Zielsetzung soll hier ein Verfahren zur Herstellung von
horizontalen Kernbohrlöchern bis zu 1.000 m Länge im geschichteten Karbon entwickelt werden. Die
Hauptschwierigkeit liegt dabei in der Einhaltung des horizontalen Bohrlochverlaufs bei wechselndem Einfallen
und unterschiedlicher Härte der Schichten. Der Start des mit 8,9 Mio DM ausgestatteten Vorhabens erfolgt am
01. April. Ab November laufen dann über Tage in einem Karbon-Steinbruch im Hammertal erste Bohrversuche,
die zeigen sollen, ob eine Versteifung des Stranges im Bereich hinter der Bohrkrone für eine Stabilisierung der
Richtung und Neigung ausreicht und welche Kräfte bei zunehmender Bohrlochlänge auftreten. Die Bohrarbeiten
führt die Firma Gewerkschaft Walter in Essen durch.
Bei den Gewinnungsbohrversuchen in steil gelagerten Kohlenflözen ergeben sich in Flöz Karl 1 im Feld C I
Schwierigkeiten durch Nachfall von Hangend- und Liegendstein. Nach Verlagerung der Arbeiten in einen
Restpfeiler des Flözes Wilhelm im gleichen Baufeld zeigen sich auch hier die gleichen Erscheinungen. Die
Versuche sollen nun in Flöz Sonnenschein weitergeführt werden.
Die Bohranlage selbst arbeitet auch unter ungünstigen Bedingungen einwandfrei.
Beim Forschungsvorhaben "Abbauverfahren mit Sprengschnur" erreicht man nach Verstärkung der
Bohrmaschine auf 37 kW Antriebsleistung in Flöz Röttgersbank die angestrebte Bohrlochlänge von 300 m im
Flöz. Die Maschine kann als betriebsreif gelten. Die geforderte Einhaltung einer horizontalen
Bohrlochabweichung von 20 cm in der Horizontalen über die geamte Länge zeigt sich aber als nicht
realisierbar. Damit jedoch steht und fällt das Verfahren. Das Vorhaben wird nach offiziellen Abschluß zum Ende
des Jahres für die Erledigung von Restarbeiten in eigener Regie einige Monate lang noch weitergeführt.
Das Vorhaben "Druckluftloser Hochleistungsvortrieb mit Sprengarbeit" dagegen kann bereits im Mai
erfolgreich abgeschlossen werden. Mit den verwendeten elektrohydraulischen Ladeund Bohrgeräten erreicht
man in der Kopfstrecke des Flözes Röttgersbank im Feld C III eine Steigerung der Auffahrleistung um etwa
30%.
Mit dem Ziel, auch in Fahrdrahtschutzbezirken Elektrolokomotiven mit Stromeinspeisung über Fahrdraht
betreiben zu können, soll ebenfalls im Rahmen eines Forschungsvorhabens ein ummantelter Stromleiter
entwickelt werden. Die Ummantelung soll zur Vermeidung von Funkenbildung innen unter Druckluft stehen. Erste
Tests beim Maschinentechnischen Institut der WBK in Bochum verlaufen wegen zu starken Druckabfalls auf der
30 m langen Meßstrecke negativ.
Erfolgreiche Aktivitäten sind aus der Transporttechnik zu vermelden. Die im Vorjahr erwähnte
Einschienenhängebahn mit Doppeltraktion läuft in der Flözstrecke Wasserfall im 5. Querschlag einwandfrei und
soll auf 2.300 m verlängert werden. Seit Anfang Dezember ist im Hauptförderberg an Schacht 8 eine zweite
Bahn gleicher Bauart in Betrieb.
Für das neue Baufeld Haltern laufen nun die Planungsarbeiten an. Der Zuschnitt für den Aufschluß der
Kohlenvorräte im Feld Haltern Nordwest unter Benutzung von Grubenbauen des Bergwerks Auguste Victoria
nimmt Gestalt an. Im Rahmen des von der Gesellschaft an die Bergwerke in Auftrag gegebenen "Planes 2.000"
werden Lösungen für die Erschließung der Kohlenvorräte in den Feldern Haltern und D erarbeitet.
Die von Schacht 8 aus ins Baufeld Haltern vorgesehene Vollschnittauffahrung bildet einen weiteren
Schwerpunkt der Planung. Der Schacht 8 selbst soll um 147 m tiefer geteuft werden und wird dazu vorgerichtet.
Im Berichtsjahr bereits teuft man 90 m und erreicht die 10. Sohle.
Zum 01. Januar wird Ass.d.Bergf. Klaus Mieles Betriebsführer.
Er verläßt das Bergwerk am 31. Oktober und geht als Assistent des Vorstandsmitgliedes Bergass.a.D.
Friedrich Carl Erasmus zur Hauptverwaltung der Ruhrkohle AG nach Essen.
Betriebsführer Alfred Saternus erhält am 1. Januar seine Beförderung zum Inspektor.
Am 31. Oktober übergibt Obersteiger Hugo Wagner die Planungsabteilung an den bisherigen Leiter der
Abteilung Materialwirtschaft, Dipl.-Ing. Erich Waschkies. Dessen Mitarbeiter ist Fahrsteiger Gerhard Jeuthner.
Obersteiger Hugo Wagner geht in den Grubenbetrieb zurück und wird im November zum Betriebsführer
befördert.
Die Abteilung Materialwirtschschaft übernimmt ab 01. November Dipl.-Ing. Wolfgang Hoppstädter.
Am 30. November wird der langjährige Leiter der Stabsstelle des Bergwerks, Dipl.-Ing. Dietrich Zimmermann,
zur Abteilung Unternehmensplanung 3 der Hauptverwaltung der Gesellschaft nach Essen versetzt. Die Leitung
der Stabsstelle geht in die Hände von Ass.d.Bergf. Klaus Dreßler über. Er kommt von der Abteilung T 1.1 der
Gruppenverwaltung in Herne.
In diesem Jahr wird in Recklinghausen das Sportstadion Hohenhorst eingeweiht. Der Stadtteil Hochlarmark
erhält mit dem "Fritz-Husemann-Haus" ein Bürgerhaus.