Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1974
Die Ölkrise zeigt in der Industrie weltweit deutlich Wirkung.Vor allem sind die ausländischen Hütten durch ein
knappes Angebot auf dem Kokskohlenmarkt in weiten Bereichen zur Einschränkung ihrer Produktion
gezwungen. Anders sieht es in der Bundesrepublik Deutschland aus. Zwar liegt die Förderung wegen der
schon vorher eingeleiteten Stillegungsmaßnahmen um 2,5 Mio t unter dem Niveau des Vorjahres, im Hinblick
auf die Situation auf dem Energiemarkt aber werden durch Auslastung aller Kapazitäten etwa 4 Mio t Kohle
mehr gefördert, als es das Energieprogramm vom September 1973 vorsieht. Insbesondere aber werden 14
Mio t Steinkohle aus den Haldenvorräten zur Bedarfsdeckung herangezogen. Trotz der starken Nachfrage nach
Steinkohle gibt es keine Versorgungsstörungen. In der Elektrizitätswirtschaft trägt die Steinkohle mit 30% zur
Sicherung der Stromerzeugung bei, so daß hier Mineralöl für andere Zwecke freigestellt werden kann. Die
inländische Stahlindustrie ist ausreichend mit Kokskohle versorgt und nimmt so am Stahlboom des Jahres
1974 mit einer Rekordproduktion teil. Am Jahresende liegen nur noch 3,4 Mio t Steinkohle auf Halde.
Die Erfahrungen aus dieser Entwicklung lösen energiepolitische Aktivitäten aus. Im Oktober sieht die
Fortschreibung des Energieprogramms der Bundesregierung vor, die Förderkapazität des deutschen
Steinkohlenbergbaus von 94 Mio t zumindest bis 1980 nicht weiter abzubauen. Nach dem Ende 1974 in Kraft
getretenen Dritten Verstromungsgesetz sollen bis 1980 im Durchschnitt sogar 33 Mio t inländischer Steinkohle
jährlich zur Stomerzeugung eingesetzt werden.
Das Energieprogramm sieht gegen Jahresende schließlich die Schaffung einer Steinkohlenreserve von 10 Mio
t vor. Die Finanzierung soll mit Mitteln des Bundes und der Bergbauländer erfolgen. Eine nun wieder aktiv
betriebene Belegschaftspolitik wirbt um Vertrauen auf die Zukunft des Bergbaus.
Bei der Ruhrkohle AG schließen sich am 01. Januar die Bergwerke Pattberg, Rossenray und Rheinpreußen
zum Verbundbergwerk Rheinland zusammen. Am 31. März erfolgt die Zusammenlegung der Bergwerke
Jacobi-Haniel und Prosper zum Verbundbergwerk Prosper-Haniel.
Die Gesellschaft ist um Aufrechterhaltung der Förderkapazität bemüht. Die Ölkrise hat indessen nur begrenzte
Auswirkungen auf die bereits eingeleiteten Stillegungsaktionen. So schließen am 15. Januar das Bergwerk
Holland in Wattenscheid und am 30. April die Kokerei Friedrich der Große in Herne. Am 30. September fördert
das Bergwerk Recklinghausen II die letzten Kohlen. Den Abbau der Kohlenvorräte übernimmt das Bergwerk
Ewald in Herten. Damit werden im Bereich der Stadt Recklinghausen keine Kohlen mehr zu Tage gehoben.
Dagegen wird das Auslaufen des Bergwerks Thyssen 2/5 in Duisburg bis Ende 1976 hinausgeschoben. Für
die Anlage Monopol ist ein Anschlußbergwerk in Bergkamen geplant. Das Bergwerk Hansa in Dortmund soll
nicht stillgelegt, sondern für die hydromechanische Kohlengewinnung vorgerichtet werden.
Unter Berücksichtigung der Zusammenlegungen verfügt die Ruhrkohle AG nun noch über 33 Bergwerke.
Der Absatz von 85,5 Mio t Kohle und Koks liegt um etwa 13 Mio t über dem Förderniveau. Fast 80% des
Mehrabsatzes entfallen auf die eisenschaffende Industrie.
Am 08. Februar wird Dr.-Ing. Siegfried Batzel zum Vorstandsmitglied bestellt und mit der Leitung des Ressorts
"Verkauf und Handel" beauftragt.
Mitte des Jahres scheidet Dr.-Ing. Heiner Weber aus dem Vorstand der Bergbau AG Lippe aus und wechselt
als Vorstandssprecher zur BAG Niederrhein. Dipl.-Ing. Herbert Kleinherne wird Mitglied des Vorstandes der
BAG Lippe für den Bereich Technik. Er war vorher Vorstandsmitglied bei der Bergbau AG Essen und der
Bergbau AG Gelsenkirchen.
Angesichts der Ölkrise wird nun auch der Lagerstättenbereich Haard/Haltern für die Stabilisierung der
Förderung der Bergbau AG Lippe interessant. Unter der Regie von Dipl.-Ing. Kleinherne wird ein Konzept für
Anschlußbergwerke erstellt. Das Feld Haard/Haltern soll durch Tiefbohrungen, Strecken und seismische
Messungen zur Erfassung von Tektonik, Schichtenverlauf und Flözdichte weiter aufgeklärt werden, um den
Fortbestand der Bergwerke General Blumenthal und Ewald Fortsetzung zu sichern. Es soll aber auch die
auslaufenden Vorräte der Bergwerke Friedrich der Große und Zollverein ersetzen, wie auch die im Hauptfeld
des Bergwerks General Blumenthal. Eine Jahresproduktion von etwa 7,5 Mio tvF ist hier abzusichern und nicht
zuletzt die damit verbundenen Arbeitsplätze.
Die Arbeiten laufen an.In den Folgejahren werden mit Hilfe der Seismik und nach dem Ergebnis von 56
Tiefbohrungen Kohlenvorräte von rd. 150 Mio t ermittelt.
Das Bergwerk General Blumenthal hält in etwa die Förderung des Vorjahres. Es gibt nur 3 Strebumzüge, davon
einen in der steilen Lagerung im Ostfeld. Dort wechselt man vom auslaufenden Streb in Flöz Sonnenschein
nach Flöz Karl 1.
Sorge bereitet der in den letzten Jahren ständig steigende Bergeanteil in der Rohförderung, der nun bei knapp
39% liegt.
Die Haldenbestände sind gegen Jahresende völlig geräumt.
In der Gewinnung kommen erstmals in Flöz Karl 1 an Schacht 8 Getriebe der Firma Jahnel zum Einsatz, die bis
zu 180 kW belastbar sind.
Bei einem Flözeinfallen von mehr als 10 Gon neigen die immer schwerer werdenden Gewinnungsanlagen zum
Abwandern. Um der Hangabtriebskraft entgegenzuwirken sind Strebteilabspannungen in der Erprobung. Am
Ausbau befestigte Rückzylinder sollen Abhilfe schaffen. Die Firma Becorit in Recklinghausen entwickelt je eine
Version für ziehende und drückende Anordnung.
In Flöz Sonnenschein im 5. Querschlag erhalten die Einheiten der neuen Schreitausrüstung des anlaufenden
Strebs in der 1. Bauhöhe nach Westen wegen des mit 25 Gon recht starken Einfallens ein doppeltes
Lenksystem. Damit wird die Hangabtriebskraft gut beherrscht.
Die in Flöz Karl 1 an Schacht 8 im Strebausbau
versuchsweise eingesetzten Schildeinheiten können -
abgesehen von noch erforderlichen kleineren
Verbesserungen - als betriebsreif angesehen werden.
Nicht so die 4 an gleicher Stelle stehenden
Schild-Böcke. Wegen zu geringer Richtmöglichkeit
bei Kopflastigkeit des Ausbaus im ausgefahrenen
Zustand und viel zu kleinem Verstellbereich der
Stempel wird der Versuch abgebrochen.
In den Streben bringt man zunehmend Maschendraht
über dem Ausbau ein, um die Steinfallgefahr zu
verringern.
Am 18. Juni wird der Förderberg in der 4. Richtstrecke zum Bergwerk Ewald Fortsetzung durchschlägig. Eine in
ihrer Konzeption im Untertagebergbau bisher einmalige Bandanlage wird den Transport der im Feld Ewald
Fortsetzung gewonnen Kohlen zur Ladestelle 3 im Baufeld General Blumenthal übernehmen. Bei einem
Achsabstand von 1.666 m schließt sich an einen 866 m langen söhligen Teil ein vertikales Kurvenstück von 137
m Länge an, in dem das Band in den mit 17,5 Gon aufgefahrenen Berg von 663 m Länge und 210 m Hubhöhe
übergeht. Das 1.200 mm breite Fördermittel mit einer Gurtkonfektion St 4.000 kann bei einer
Gurtgeschwindigkeit von 2,5 m/s stündlich 1.300 t Rohförderung transportieren. Dazu steht eine
Gesamt-Antriebsleistung von 5 x 260 kW zur Verfügung. Die doppelstöckige Anlage ist so ausgelegt, daß im
Obertrum Kohlen und Personen aufwärts und im Untertrum Berge und Personen abwärts befördert werden
können. Hinter dem Abwurf und vor der Kehrstation ist im Untertrum jeweils eine Gurtwendestrecke vorgesehen,
so daß bei der Kohlen- und Bergeförderung immer nur die Gurttragseite beaufschlagt wird. Eine Förderung
nach Kohlenarten ist durch Ansteuerung der Beschickung auf Ewald Fortsetzung und der Bunkertaschen am
Abwurf General Blumenthal möglich. Die etwa 6,5 Mio DM teure Bandanlage wird von den Firmen Salzgitter
und Jahnel (mech.Teil), Clouth (Gurt) und Siemens (Elektrik) installiert.
Um die Vortriebsgeschwindigkeit bei der Auffahrung von Strecken zu erhöhen, ist man bestrebt, den
Streckenausbau vom eigentlichen Vortrieb zu trennen und im rückwärtigen Bereich einzubringen, ohne die
Vortriebsarbeiten zu beeinträchtigen. Das Gebirge soll in Ortsnähe durch Spritzbeton vorläufig gehalten
werden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens ist die Entwicklung eines verfahrbaren Spritzmonitors
vorgesehen.
Ein Versuch, künftig vor allem in gestörten Bereichen Flözstrecken ohne Bohr- und Sprengarbeit aufzufahren,
führt Ende August zum Einsatz eines sog. Impact-Rippers, einer Maschine, bei der auf einem Auslegerarm ein
überschweres, hydraulisch angetriebenes Schlaggerät nach Art eines Abbauhammers Gestein und Kohle lösen
soll. Das mit einem Schreitwerk ausgerüstete Aggregat der Recklinghäuser Firma Becorit läuft zunächst im
Flözberg Karl 1 (Feld B I) unterhalb der 7. Sohle im 5. Querschlag und in der anschließenden Bandstrecke nach
Osten entlang einer Störung. Erhebliche technische Mängel lassen nur Auffahrungen bis zu 3,6 m je Tag zu. Die
Maschine bringt auch später in einem Nachrißbetrieb in Flöz Röttgersbank nicht die erhoffte Leistung.
Zur Erleichterung der Fahrung besonders in geneigten Grubenbauen wird der auf dem Bergwerk General
Blumenthal in Zusammenarbeit mit der Firma Scharf in Hamm entwickelte Sessellift technisch weiter
verbessert. Die unterhalb der 7. Sohle im 3. Querschlag im Gesteinsberg Karl laufende Anlage zeigt aber noch
immer technische Mängel.
Ein alter Bergmannsspruch sagt: "Vor der Hacke ist es duster". Damit das nicht so bleibt, setzt sich ein im
November angelaufenes Forschungsvorhaben zum Ziel, horizontale Aufklärungsbohrungen großer Länge in
Kohle und Gestein zu ermöglichen. In Zusammenarbeit mit der Firma Thyssen Schachtbau in Mühlheim gelingt
es, mit einer Turmag-Bohrmaschine des Typs SL-K in Flöz Röttgersbank im Feld CII/III flözgängige Bohrungen
bis zu einer Länge von 217 m herzustellen. Das wurde erst durch die Verwendung von speziellen Bohrkronen
möglich, die Dr.-Ing. Hermann Lautsch, der Markscheider des Bergwerks, bereits Jahre zuvor für große
Bohrdurchmesser entwickelt hatte. Diese Bohrkronen hat Dr. Lautsch nun für kleine Kaliber konzipiert. Die
flözgängigen Bohrwerkzeuge arbeiten sich auch hier durch ihre besondere Form der Schneiden bei Kontakt mit
dem härteren Hangend- oder Liegendstein in das weichere Kohlenflöz zurück - ein Durchbruch auf dem Gebiet
der Bohrtechnik. Für längere Bohrungen ist nun eine stärkere Maschine erforderlich, für die die Eckdaten
erarbeitet werden sollen.
Drei zu einer Einheit zusammengeschlossene Turmag-Bohrmaschinen des Typs P VI/12-120
Die Verringerung der Grundausgasung beim Abbau ist das Ziel eines weiteren Forschungsvorhabens. Dazu
soll das Grubengas aus der Kohle vor dem Streb aus Bohrlöchern, die in 5 m-Abständen herzustellen sind,
abgesaugt werden. Die erwähnten flözgängigen Bohrkronen ermöglichen Bohrlochtiefen bis zu 150 m bereits
im Anfangsstatium und eine Reduzierung des Gasanfalls im Streb um 20%.
Beim Forschungsvorhaben "Gewinnungsbohrversuche in steil gelagerten Kohlenflözen" werden in Flöz
Dickebank im Feld B II nach dem Test verbesserter Bohrkronen die Versuche mit der konventionellen
Bohrbatterie abgeschlossen. Nach einer nochmaligen Überarbeitung der Konstruktionsunterlagen beginnt die
Firma Hausherr und Söhne in Sprockhövel im Frühjahr mit dem Bau der neuen Gewinnungsbohranlage. Die
elektrotechnische Abteilung des Bergwerks General Blumenthal erstellt dazu den Schaltplan für die
vorgesehene Folgesteuerung. Ende des Jahres bereits wird die Anlage in ihren wesentlichen Teilen
ausgeliefert. An Schacht 11 sollen nun über Tage der Funktionstest und die Ausbildung der Bohrmannschaft
erfolgen. In engem Kontakt mit dem Landesoberbergamt Dortmund, dem Bergamt Marl, der
Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke in Dortmund-Derne, der Westfälischen Berggewerkschaftskasse in
Bochum und dem Steinkohlenbergbauverein werden die beim Einsatz der Gewinnungsbohranlage auftretenden
Fragen hinsichtlich der Wetterführung, des Explosionsschutzes und des Streckenausbaus erörtert.
Die Bohrkrone des “Drillings” nach dem Durchschlag zur Kopfstrecke Flöz Dickebank (Feld B II)
Die Unfälle unter Tage nehmen stetig ab. Im Berichtsjahr haben nicht weniger als 8 Reviere mehr als 3 Monate
unfallfrei gearbeitet. Der Erfolg wird jeweils mit der Ausrichtung eines Kameradschaftsfestes belohnt.
Für das E-Feld steht nun die Planung für die Anschlußbauwerke fest. Auch für den Zuschnitt der Grubenbaue zur
Lösung der Kohlenvorräte der Flöze Wasserfall und Dickebank im Feld CII/III sind die Planungsarbeiten
abgeschlossen.
In der südlichen Förderung des Schachtes 11 werden die bisher 4-etagigen Förderkörbe gegen solche mit 5
Etagen ausgewechselt.
Auf dem Gebiet der Wohnungswirtschaft steigt die Zahl von Bewerbern für ein Eigenheim auf 79
Belegschaftsangehörige. Beim Bau der 16 Eigenheime am Südpark in Recklinghausen wird erstmals wieder
manuelle Eigenleistung gefordert. Dadurch sinken die Herstellungskosten um bis zu 30.000,- DM.