Die wirtschaftliche Lage des deutschen Steinkohlenbergbaus steht weiter im Zeichen einer währungsbedingten
Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Deutsche Mark gewinnt an Kraft gegenüber der Weltwährung
Dollar. Das erschwert nicht nur den Export, sondern auch die Konkurrenz mit den Importenergien, zumal sich
auch die eisenschaffende Industrie in ihren Bezugspreisen am Dollar orientiert. Der Preis für US-Kokskohle
liegt nun deutlich unter dem kostendeckenden Listenverkaufspreis der Ruhrkohle AG. Der Kostenauftrieb setzt
sich fort - bedingt vor allem durch die hohe Lohnintensität, wachsenden Aufwendungen für die Altersversorgung
und Kosten für Bergschäden. Zwar steigt der Verbrauch an Primärenergie um 4,4%. Davon aber profitieren wie
gehabt ausschließlich Erdöl und Erdgas. Der Verbrauch an Steinkohle sinkt auf 83,7 Mio. t SKE.
Die Ruhrkohle AG legt gemäß der im Hinblick auf den bestehenden Gesamtanpassungsplan zum Teil
vorgezogenen Maßnahmen im Berichtsjahr 5 Bergwerke mit über 4,2 Mio. t Jahreskapazität still.
Es sind dies die Anlagen:
– Emscher Lippe in Datteln (am 25.02.)
– Katharina in Essen (am 31.03.)
– Brassert in Marl (am 15.08.)
– Mathias Stinnes in Essen (am 15.12.) und
– Alstaden in Oberhausen (am 15.12.).
Mehr als 8.800 Bergleute sind von den Stillegungen betroffen. Sie finden auf anderen Bergwerken einen neuen
Arbeitsplatz oder gehen vorzeitig in den Ruhestand.
Auch die Kokereien Pattberg in Moers, Sachsen in Heessen und Victor in Castrop sowie die Brikettfabrik
Katharina in Essen stellen im Verlauf des Jahres ihre Produktion ein.
Mit der Einschränkung der Förderung aber können die Kosten nicht im gleichen Maße zurückgehen wie die
Erlöse. Das ist auf den für den Bergbau spezifischen hohen Anteil der Fixkosten und der Belastung durch
Altlasten zurückzuführen. So schließt das Geschäftsjahr der Gesellschaft vor Inanspruchnahme der bestehenden
Stabilisierungsrücklage mit einem Jahresfehlbetrag von 567 Mio. DM.
Die Haldenbestände an Kohle und Koks von nunmehr 16,6 Mio tvF binden Mittel in der Größenordnung von 1,6
Mrd DM.
Zu Beginn des Jahres schließen sich die Bergwerke Haus Aden und Grimberg 3/4 zum Verbundbergwerk Haus
Aden zusammen.
Am 01. Mai stellt die Bergbau AG Essen die Verwaltungstätigkeit ein.
Die Michel Brennstoffhandel GmbH und die Kohle und Erz GmbH bilden die Michel Handel GmbH. Das ist die
Geburtsstunde der Ruhrkohle Handel GmbH.
Am 01. April scheidet Dr.-Ing. Herbert Wegehaupt aus dem Vorstand der Bergbau AG Herne/Recklinghausen
aus.
Vorstandssprecher der Bergbau AG Herne/Recklinghausen und der Bergbau AG Gelsenkirchen wird Dr.- Ing.
Hans Messerschmidt.
Die 44 Ruhrkohle-Anlagen fördern 77,5 Mio t Kohle.
Das Bergwerk General Blumenthal bringt 1972 rd. 130.000 tvF an Kohle weniger zu Tage als im Vorjahr, in
dem 9 Fördertage mehr zur Verfügung standen. Sieben Kurzarbeitstage im Frühjahr und die Rücknahme von
Überschichten tun ein übriges.
Noch immer hat die Gaskohle aus zwei Streben in Flöz Zollverein 5 einen Anteil von etwa 20% an der
Gesamtförderung. Die Fettkohle kommt im wesentlichen aus den Flözen Karl 1, Hugo 1, Wilhelm sowie
Röttgersbank, Dickebank und Sonnenschein. Im Eßkohlenflöz Finefrau läuft mit der 4. Bauhöhe nach Süden der
letzte Streb aus. Das mächtige Flöz hat die ursprünglich gehegten Erwartungen auf einen gewinnbringenden
Abbau wegen seiner stark gestörten Lagerung leider nicht erfüllen können.
Einen Schwerpunkt bilden in diesem Jahr die Arbeiten zur Aufnahme der Förderung in Flöz Karl 1 in der 9.
Querschlagsachse oberhalb der 7. Sohle.
Am 08. März ist die 810 m lange Becobahn 400 förderfertig. Das Flurfördermittel läuft mit 2 Zugeinheiten von je
4 Wagen im Wechselzugbetrieb mit einer Geschwindigkeit von 2,5 m/s und befördert eine Nutzlast von 8 Mp je
Zug.
Becobahn 400 im Gesteinsberg von der
7.Sohle im 9. Querschlag
nach Norden nach Flöz Karl 1.
Ein Hydropull 6.000 der Firma Düsterloh in
Sprockhövel ist das Antriebsaggregat.
Im Niveau der 7. Sohle ist der
Materialbahnhof am Fuß des
Gesteinsberges fertiggestellt, ausgerüstet
mit einem neuartigen
Viermast-Umschlaggerät, das die
Maschinenfabrik Scharf in Hamm eigens für
diesen Zweck entwickelt hat. Das Gerät geht
am 01. Juli in Betrieb. Es bedient neben der
Flurförderbahn zusätzlich noch eine
Einschienenhängebahn. Bis zu 370
Materialbehälter je Tag können mit dieser
längs- und querverfahrbaren Anlage umgeschlagen werden. Das reicht aus.
Für die Abförderung der Kohle zur 7. Sohle wird im Gesteinsberg zum Niveau des Flözes Karl 1 eine 440 m
lange Bandanlage eingebaut, die - erstmals für General Blumenthal - mit einem 1.200 mm breiten Gurt mit
Stahlseil -Einlagen St 1.600 ausgerüstet ist. Die Anlage fördert bei einer Geschwindigkeit von 2,5 m/s maximal
1.400 t in der Stunde und erhält - erstmals für den Ruhrbergbau - eine elektro-hydraulische Regelbremse, die
unabhängig vom Beladezustand einen konstanten Bremsweg von 8 m einhält. Der erstmals auf dem Bergwerk
auch für Personenbeförderung in beiden Richtungen ausgelegte Gurtförderer ist mit
Überwachungseinrichtungen gegen mögliche Drehzahlüberschreitung sowie Schieflauf, Schlupf und Bandriß
ausgestattet.
Der erste Streb in Flöz Karl 1, die mittlere südliche Bauhöhe, erhält technisch aktuelle Ausrüstung:
– S 3-Hobel,
– PF II/600-Strebförderer mit verstärktem Kettenband.
– 160-KW-Motoren mit S 10 -Getrieben bilden den Antrieb und
– 4-Stempel-Wanderpfeiler-Ausbau.
Der Streckenpanzer in der Kohlenabfuhrstrecke hat eine Pendelumkehre und wird mit einem hydraulischen
Vorziehgerät im ganzen vorgezogen. Der nachgeschaltete Gurtförderer ist mit einer Speicherbandschleife
ausgerüstet. Der Abbau läuft im Berichtsjahr an.
Im 5. Querschlag wird der 805 m lange Förderberg von der 9. zur 7. Sohle durchschlägig. Die eingebaute
Gurtförderanlage für eine Stundenförderung von 1.100 t ist ebenfalls mit einem Stahlseilgurt belegt und mit den
gleichen Überwachungseinrichtungen ausgerüstet wie die vorgenannte Bandanlage. Allerdings ist hier zunächst
noch keine Personenfahrt vorgesehen.
Zur Aufklärung der Flözlagerung östlich des 5. Querschlages fährt man auf der 7. Sohle in Flöz Wasserfall eine
Untersuchungsstrecke nach Osten in Richtung 9. Querschlag, die nach 240 m Auffahrung in Flöz Sonnenschein
weitergeführt wird.
Im September wird die Auffahrung des 9.Querschlages auf der 4.Sohle an Station 2.770 m gestundet.
Die Großladestellen im 9. und 3. Querschlag
werden für vollautomatischen Betrieb
vorgerichtet. Lichtschrankengesteuerte
elektro-hydraulische Bremskettenbahnen -
teilweise von der Lok überfahrbar - regeln den
Wagenumlauf.
Mitte des Jahres beginnt man im Rahmen
eines Forschungsvorhabens mit dem
mechanischen Hinterfüllen des
Streckenausbaus. Das Einbringen des
verwendeten Trockenfertigbetons über den
gesamten Querschnitts gelingt zwar recht gut.
Doch bedürfen die dazu benutzten Maschinen
noch wesentlicher Verbesserungen.
Bei der Weiterführung des Vorhabens "Gewinnungsbohrversuche in steilgelagerten Kohlenflözen" bringt die
Technische Hochschule Aachen die Arbeiten zur Optimierung der flözgängigen Bohrkrone zum Abschluß. Die
dort gebaute Bohrkrone zeigt beim Einsatz in Flöz Sonnenschein (7. Sohle, 4. Richtstrecke) ein verbessertes
Schneidverhalten. Die Versuche mit dem Drilling finden nun in der Grundstrecke nach Westen des Flözes
Dickebank im Feld B II (7. Sohle, 3. Querschlag) ihre Fortsetzung. Es gelingt, zwei Bohrungen mit einer Länge
von jeweils 142 m trotz einer durchlaufenden Flexur bis zum Teilort Blindschacht 732 hochzubringen. Die
Abweichung von der Sollinie liegt in beiden Fällen unter 30 cm. Bei der Untersuchung der Bohrlöcher mit einer
Fernsehkamera des Steinkohlenbergbauvereins zeigt sich im Flexurbereich deutlich die Arbeitsweise der
flözgängigen Bohrkronen.
Die Planung befaßt sich im Berichtsjahr u.a. mit dem Anschluß des E-Feldes an das Bergwerk General
Blumenthal und mit dem weiteren Ausbau der automatischen Lokförderung auf der 7. Sohle. Neben dem
direkten Anschlußbereich östlich des Übergabebahnhofes stehen vor allem das Stellwerk und die
Fahrstraßenregelung am Knoten Ostfeld im Zentrum planerischer Überlegungen. Hier wird sich künftig der
Zugbetrieb von und zu zwei Großladestellen bündeln.
Der Tagesbetrieb meldet für den Bereich der Anlage 1/2/6 die Inbetriebnahme der umgebauten Waschkaue.
Nach Verlegen der Schranke am Beckbruchweg werden auf der freigewordenen Fläche Parkplätze angelegt.
Beim "Betrieblichen Vorschlagswesen" treten am am 01. September die für die gesamte Ruhrkohle
einheitlichen Richtlinien in Kraft.
Für Verbesserungsvorschläge zahlt das Bergwerk Geld- und Sachprämien im Wert von 11.500 DM aus.
Besonders wertvoll zeigen sich einige Vorschläge aus dem Tagesbetrieb.
Der bergmännische Nachwuchs für den Untertagebereich des Bergwerks erreicht mit 314 Auszubildenden
erstmals mit 12,1% die vorgegebene Sollzahl und liegt damit weit über dem Durchschnitt der Bergbau AG
Herne/Recklinghausen.
Das 14-tägige Berufspraktikum als "Schnupperkurs" für Hauptschüler des 9. Schuljahres wird mit 131 Schülern
weitergeführt. Von den technisch interessierten Jungen entschließen sich immerhin etwa 30% für eine
Ausbildung auf General Blumenthal.
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist nicht zufriedenstellend. Es suchen im gesamten Einzugsgebiet des
Bergwerks derzeit noch immer 231 Bergleute ein neues, wenn möglich besseres Zuhause.
Tagesbetriebsführer Karl Vogt geht am 28. Februar in den Ruhestand. Leiter des Tagesbetriebes wird
Dipl.-Ing. Eberhard Block, der von der Abteilung T 3 der BAGHauptverwaltung kommt.
Am 30. September wechselt auch Dipl.-Ing. Hans Pinnow, Leiter der Abteilung Materialwirtschaft, ins
Privatleben. Seine Aufgaben übernimmt Dipl.-Ing.Erich Waschkies.
Betriebsdirektor Hans-Ludwig Jacob promoviert am 08. Dezember zum Dr.rer.nat.
Die Stadt Recklinghausen veranstaltet im Rahmen der Ruhrfestspiele erstmals eine "Woche des Sports".