Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1970
Die weltweite Hochkonjunktur bringt einen überdurchschnittlichen Anstieg des Primärenergieverbrauchs von
7%. Ab November schwächt sich die Nachfrage etwas ab. Die Steinkohlenförderung der Bundesrepublik liegt
mit 111 Mio t etwa auf dem Stand des Vorjahres.
Ab 01. Januar übernimmt die Ruhrkohle AG die unternehmerische Verantwortung für die aus 26 Gesellschaften
eingebrachten Betriebe. Vom gleichen Zeitpunkt an findet die nun greifende Montan-Mitbestimmung durch die
Einführung des Betriebsdirektors für Personal- und Sozialfragen ihren Ausdruck.
Am 01. Juli erfolgt die Gründung der RAG-Betriebsabteilung Zechenbahn- und Hafenbetriebe. Mit dem Vertrag
über die Kraftwerksübertragung erwirbt die Ruhrkohle AG die Aktienmehrheit an der STEAG AG.
In einem Grundsatzprogramm über die "Konzentration und Ausrichtung der Produktionskapazitäten" auf die
künftigen Absatzmöglichkeiten legt die Gesellschaft am 26. August die zweckmäßige Zuordnung der
Lagerstätten zu den einzelnen Betrieben fest, wie auch die Förderung der ertragsstärksten Anlagen. Die
Rücknahme der Förderung steht im Vordergrund. Verbundmaßnahmen erhalten den Vorzug vor Stillegungen.
Dabei findet eine regionale Ausgewogenheit im Hinblick auf Arbeits- und Ausbildungsplätze Berücksichtigung.
Bei der Planung von Anschlußbergwerken spielt der Umweltschutz eine wichtige Rolle.
Vorübergehend ergibt sich ein Engpaß bei der Koksproduktion. Der Ausbau der Kokereien soll daher ein
Schwerpunkt im neu aufgelegten Investitionsprogramm sein. Auch Kohle ist zeitweilig knapp. Es müssen sogar
Überschichten verfahren werden. Die Haldenbestände an der Ruhr an Kohle und Koks sind auf einen
absatztechnisch erforderlichen Rest von 0,613 Mio t geschrumpft.
Im Hinblick auf die höchste Steigerung der Produktionskosten seit der Währungsreform trotz günstiger
Absatzlage erhöht die Ruhrkohle AG im Juli die Preise für feste Brennstoffe. Allein der Personalaufwand steigt
um 20%,der Sachkostenaufwand um 15%.
Nach der Übernahme des Bergbaubereichs der Hibernia AG durch die Ruhrkohle AG ordnet sich die VEBA
neu und gründet am 21. April die VEBA Kraftwerke Ruhr GmbH mit Sitz in Gelsenkirchen. Dazu gehören nun
die ehemaligen Hibernia-Kraftwerke Scholven, Westerholt, Datteln und Shamrock. Die Hibernia AG wird
aufgelöst und ihr Firmennahme nach 97 Jahren aus dem Handelsregister gelöscht. "Ein leuchtender Stern
verlöscht am Industriehimmel des Ruhrgebiets", so schreibt das Düsseldorfer "Handelsblatt".
Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl veröffentlicht am 22. Dezember ihre einheitlichen Kriterien
für die Sanierung der Steinkohlenbergbaureviere. Die Durchsetzung indessen stößt in den kohlefördernden
Ländern der Gemeinschaft auf Schwierigkeiten.
Im Ruhrbergbau kommen die ersten Teilschnittmaschinen zum Einsatz. Es gibt noch viele Rückschläge, aber
der Anfang ist gemacht.
Die Ruhrkohle AG fördert im ersten Jahr ihres Bestehens auf ihren Bergwerken 84,9 Mio Tonnen verwertbare
Kohle bei einer Schichtleistung unter Tage von 3,846 tvF/MS. Die Zahl der Mitarbeiter steigt auf 186.108.
Das Bergwerk General Blumenthal sieht sich insbesondere in den Gewinnungsbetrieben der flachgelagerten
Flöze Zollverein 5, Wilhelm und Katharina zum Teil erheblichen geologischen Störungen gegenüber. Auch der
Abbau in Flöz Finefrau im Ostfeld läuft nur schleppend und muß in der 2. Bauhöhe nach Westen neu angesetzt
werden. Die verwertbare Jahresförderung fällt um rd.107.000 t, die Tagesförderung um 466 tvF.
Die schweren Hobelbedingungen in Flöz Zollverein 5 führen zum ersten Einsatz eines Einkettenförderers EKF 3
der Firma Halbach und Braun in Kombination mit kohlenstoßseitigen Leitplanken und versatzseitiger
Klüsenführung. Die Jahnel-Getriebe sind für 120 kW Antriebsleistung ausgelegt. Der P 3-Hobel hat bergund
talseitige Räumeinrichtungen.
Es gelingt, die Laufeigenschaften der Reißhakenhobel in den Streben Wasserfall und Zollverein 5 durch den
Einbau von auswechselbaren Führungsrollen zu verbessern.
Nach Vorversuchen sind in den Kohlenabfuhrstrecken zunehmend Kohlendurchlaufbrecher installiert. Diese
werden aus Gründen der Sicherheit mit Schutzzonen ausgestattet.
Die Energiezufuhr der in Streb und
Kohlenabfuhrstrecke betriebenen maschinellen
Anlagen faßt man in Kompaktstationen und
Energiezügen zusammen. Diese hängen an
EHB -Schienen und können so mit dem
fortschreitenden Abbau vorgezogen werden.
Auf der 5. Sohle nimmt zum Jahreswechsel
erstmals eine funkferngesteuerte
Einschienenhängebahn für
Personenbeförderung zwischen Schacht 4 und
dem Blindschacht 55 den Betrieb auf.
Im Materialbahnhof im 3. Querschlag auf der 7.
Sohle bringt eine verfahrbare Arbeitsgondel
Arbeitserleichterung beim Bedienen der
hochgelegenen Hubzüge an den Hubbalken.
Zur Lösung der Kohlenabförderung und des
Materialtransports für das oberhalb der 7.
Sohle im 9. Querschlag anstehende Flöz Karl
1 beginnt man vom 9. Querschlag aus mit der Auffahrung des Ladeumtriebes, von dem aus dann der
Förderberg bis zum Flözniveau
gefahren werden soll.
Bei der Materialversorgung von mehreren Gewinnungsbetrieben stößt die Einschienenhängebahn an ihre
Leistungsgrenze. So mit Sicherheit beim Abbau des Flözes Karl 1 an Schacht 8. Hier soll eine zwangsgeführte
Flurförderbahn den Transport übernehmen. Nach einer Grubenfahrt auf dem Bergwerk "Dawdon" in England,
wo eine solche Bahn der Firma Becorit läuft, beginnt man Ende des Jahres mit der Planung der Anlage.Im
Schacht 4 wird nach Abschluß der Umbauarbeiten mit der Erweiterung des Schachtes unterhalb der 7. Sohle
bis zum Wetterberg begonnen.
Das Entwicklungsvorhaben "Gewinnungsbohrversuche in steil gelagerten Kohlenflözen" wird nun in Flöz
Sonnenschein (7. Sohle,4. Richtstrecke) weitergeführt. Es gelingt erstmals, zwei Bohrungen mit 620 mm
Durchmesser auf 200 m Bohrlochlänge hochzubringen und auf Richtungsstabilität zu vermessen. Ein Ergebnis,
das bei diesem großen Bohrdurchmesser bisher noch nirgendwo erreicht werden konnte. Ziel des Vorhabens
ist letztlich die Entwicklung einer vollautomatisch arbeitenden Gewinnungsbohrmaschine. Für deren Auslegung
hat die Westfälische Berggewerkschaftskasse bereits im Vorjahr Kraftmessungen durchgeführt, die im
Berichtsjahr abgeschlossen werden.
Die Planung befaßt sich im Berichtsjahr mit dem Zuschnitt und der fördertechnischen Ausrüstung der
Verbindungsstrecken zum E-Feld und erstellt für die nächsten 20 Jahre gemeinsam mit dem Bergwerk Ewald
Fortsetzung einen Abbauplan mit dem zugehörigen Plan für die Aus- und Vorrichtung.
Das Bergwerk bleibt frei von tödlichen Unfällen.
Im Tagesbetrieb werden die Landabsatzstellen Recklinghausen und Herne stillgelegt.
Der Abbruch der Wäsche und des Kokskohlenturms auf der Anlage 1/2/6 wird abgeschlossen.
Die gesamte Wärmeversorgung ist nun auf Fernwärme umgestellt.
Das Heizwerk Recklinghausen erhält eine größere Rohrleitung für die Versorgung mit Methangas.
Die Ausbildungsabteilung führt ihr erfolgreiches Konzept der Vorjahre weiter und steht mit 346 Jugendlichen für
die Untertageausbildung weit über dem Ruhrkohle-Durchschnitt.
Die bei der Altgesellschaft durchgeführten Sozialmaßnahmen hat die Ruhrkohle AG nur teilweise übernommen.
Das gilt für Erholungskuren sowie Urlaubsfahrten für Jubilare und Aufenthalte von Familien in einem Feriendorf.
Für Urlaubsfahrten erhalten aktive Mitarbeiter jedoch nun keinen Zuschuß mehr. Auch entfallen künftig die bisher
arrangierten Ferienfreizeiten für Kinder.
Auf dem Gebiet des Wohnungswesens geht am 01.Oktober die Verantwortlichkeit bei der Verwaltung der
Wohnungen von der Altgesellschaft, die bis dahin namens und für Rechnung der Ruhrkohle AG die anstehenden
Arbeiten ausgeführt hat, auf die Abteilung B 4 über.
In Recklinghausen wird der erste Eigenheimbauabschnitt in der Hillerfeldmark mit 30 Eigenheimen vollständig
bezogen.
Mit Beginn des Jahres tritt nach der getroffenen Vereinbarung über die
Mitbestimmung Gerhard Stebner sein Amt als erster Betriebsdirektor für
Personal- und Sozialfragen auf dem Bergwerk General Blumenthal an.
Am 09. Februar scheidet Dr.med. Hans-Georg Schaper als Werksarzt aus
und eröffnet in Hannover eine Privatpraxis. Sein Nachfolger wird
Dr.med.Karl-Heinz Rumphorst.
Ausbildungsleiter Eckard Lipsius wird am 31. März zur Hauptverwaltung der
Ruhrkohle AG nach Essen versetzt. Das Ausbildungswesen liegt nun in den
Händen von Dipl.-Ing. Jürgen Bogs. Fahrsteiger Günter Predel wird am
01.April zur Stabsstelle versetzt und mit dem Aufbau der Abteilung
Transportwesen betraut.
Betriebsdirektor Rudolf Specks wird am
15. Juni zur Hauptverwaltung der
Ruhrkohle AG nach Essen berufen und
wird dort Geschäftsführer der Ruhrkohle
Öl und Gas GmbH.
Ass.d.Bergfachs Hans-Ludwig Jacob übernimmt die Aufgaben des
Betriebsdirektors für den Bereich Produktion. Er kommt von der
Bergwerksdirektion Buer.
Planungsingenieur Ass.d.Bergfachs Hermann Steffe wechselt am 31.
Dezember zur Geschäftsleitung der Unternehmerfirma Wagener nach Essen.
Sein Nachfolger wird Obersteiger Michael Sebastian, dem Fahrsteiger
Hermann Weber als Mitarbeiter unterstellt wird.