Bei den Bundestagswahlen am 28. September bleibt die CDU/CSU zwar stärkste Partei. Da sich die FDP
aber für ein Bündnis mit der SPD, die deutlich zulegen kann, entscheidet, regieren nunmehr Sozial- und Freie
Demokraten gemeinsam. Am 21. Oktober wählt der Bundestag Willy Brandt zum Kanzler. Erstmals nach 20
Regierungsjahren wechselt die CDU/CSU auf die Oppositionsbank.
Die Wirtschaft der Bundesrepublik sieht sich weiter in einer Hochkonjunktur. Die Industrieproduktion steigt um
13%, das Bruttosozialprodukt um 8%. Der Steinkohlenbergbau fördert im Berichtsjahr 111,6 Mio t Kohle, kann
aber 120,2 Mio t absetzen, nicht zuletzt wegen der guten Auftragslage in der Stahlindustrie. Ohne die
Auslagerungen der Notgemeinschaft liegen nun noch 2,6 Mio t Kohle und Koks auf Halde.Nach wie vor profitiert
fast ausschließlich die Ölindustrie vom Zuwachs beim Primärenergieverbrauch von 9,2%.
Seit dem 01. Januar führen die Gründungsgesellschaften die Bergwerke
und die einzubringenden Betriebe "im Namen und für Rechnung der
Ruhrkohle AG". Am 24. Februar erfolgt die Eintragung der Ruhrkohle AG in
das Handelsregister.
Nach Maßgabe des am 18.07.69 unterzeichneten Grundvertrages über die
Bildung einer „Gesamtgesellschaft“ des Ruhrbergbaus haben folgende
Unternehmen ihr Bergbauvermögen in die Ruhrkohle AG eingebracht:
Die Verhandlungen über die mit der Errichtung der konzipierten
Gesamtgesellschaft zusammenhängenden Verträge sind am 07. März
abgeschlossen. Auf der Basis des Vertragswerkes haben sich dann bis zur
Unterzeichnung des Grundvertrages am 18. Juli
insgesamt 26 Bergwerksgesellschaften - sie
repräsentieren 75% der Förderung des
Ruhrreviers - bereit erklärt, ihr Bergbauvermögen
und die darauf liegenden Schulden auf die
Ruhrkohle AG zu übertragen. Als Gegenleistung
erhalten sie eine Einbringensgsforderung von
rd.2,1 Milliarden DM, die mit 6% verzinst und in
20 Jahresraten getilgt wird. Der Bund und das
Land Nordrhein-Westfalen übernehmen für die
Einbringensforderung die Bürgschaft,
ausschließlich der Zinsen.
Die Bergwerksgesellschaften verpflichten sich, die Ruhrkohle AG mit einem Grundkapital von 600 Millionen DM
auszustatten und für die ersten 20 Jahre auf Gewinnausschüttungen der Ruhrkohle AG zu verzichten.
Der Kohlebeauftragte Gerhard Woratz und die Ruhrkohle AG verhandeln indessen mit den noch abseits
stehenden Unternehmen.
Der Grundvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Bergbau-Altgesellschaften und der Ruhrkohle
AG wird am 18. Juli unterzeichnet. Die Unternehmen müssen künftig die Produktion den Absatzmöglichkeiten
anpassen.
Ein Hüttenvertrag verpflichtet die Altgesellschaften zur Abnahme und die Ruhrkohle AG zur Lieferung des
gesamten Kohlenbedarfs der Hütten auf 20 Jahre zu Preisen des freien Kohlenmarktes. Gleiches regelt ein
Vertrag mit den Kraftwerken. Hierbei sind Beihilfen des Bundes und der Länder zur Erzielung kostendeckender
Erlöse nicht auszuschließen.
Bis Mitte August erklären dann auch die Bergwerke der Fried. Krupp Hüttenwerke AG und die Rheinstahl
Bergbau AG ihren Beitritt.
Die Ruhrkohle AG gründet am 17. November sieben betriebsführende Bergbau-Aktiengesellschaften:
Niederrhein, Oberhausen, Gelsenkirchen, Herne/Recklinghausen, Essen sowie Dortmund und Westfalen.
Nachdem die Kommission der Europäischen Gemeinschaft die Bildung der Ruhrkohle AG am 27. November
genehmigt hat, unterzeichnen die Altgesellschaften am 01. Dezember die Einbringungsverträge. Die Ruhrkohle
AG übernimmt nun die Belegschaften und die zugehörigen Bergbaubetriebe. Die Belegschaft zählt rd.183.000
Beschäftigte. Mit den 52 Bergwerken verfügt die Ruhrkohle AG über 93,5% der Förderung des Ruhrreviers.
Zum Einbringungsvolumen gehören u.a. auch 29 Kokereien mit einer Jahreskoksproduktion von etwa 26 Mio t
sowie 5 Brikettfabriken mit einer Kapazität von 2,1 Mio t und 20 Zechenkraftwerke mit insgesamt 950
Megawatt Leistung.
Der erste Vorstandsvorsitzende der Ruhrkohle AG, Hans-Helmut Kuhnke, schreibt im Bergbau-Jahrbuch 1969:
"An der Wiege der Ruhrkohle AG standen viele Väter und Paten, die schließlich aus ganz unterschiedlichen
Motiven dieses Kind gemeinsam aus der Taufe gehoben haben. Wird die Ruhrkohle AG ein Erfolg, so wird sie
viele Väter haben; bleibt sie ohne Erfolg, so wird sie eine Vollwaise sein".
Die Hibernia AG übergibt ihre acht Bergwerke, zwei Kokereien, zwei Brikettfabriken sowie die Zechen- und
Hafenbahn mit insgesamt 22.725 Mitarbeitern an die Ruhrkohle AG.
Das langjährige Vorstandsmitglied Willy Schürmann - im Berichtsjahr Sprecher des Vorstandes der Hibernia
AG- tritt am 31. Dezember in den Ruhestand.
Das Bergwerk General Blumenthal gehört nun zusammen mit den Bergwerken Schlägel und Eisen sowie
Westerholt der Hibernia AG, Ewald Fortsetzung der Ewald Kohle AG, Fürst Leopold der Hoesch AG, Wulfen
der Stinnes AG und Brassert der Rheinstahl Bergbau AG zur Ruhrkohle Betriebsführungsgesellschaft Bergbau
AG Herne/Recklinghausen, der Gruppe vier. Diese hat ein Fördervermögen von 9,8 Mio t Kohlen sowie 3,3 Mio
t Koks und wird mit einem Grundkapital von 21 Mio DM ausgestattet.
Dem Vorstand der Bergbau AG
Herne/Recklinghausen gehören
nachstehende Herren an:
– Bergwerksdirektor Dr.-Ing. Heiner
Weber (vorher Hoesch AG) als Sprecher
– Dr.-Ing. Herbert Wegehaupt (vorher
Hibernia AG) für den Bereich Technik
– Dr.jur. Jürgen Hertz-Kleptow (vorher
Fried.Krupp Bergwerke AG) als Kaufmann
und
– Hans Holobar als Arbeitsdirektor.
Er war vorher in der Verwaltung des
Bergwerks Ewald Fortsetzung als
Personalsachbearbeiter im
Vorzimmer des Werksleiters tätig.
Das Bergwerk General Blumenthal
verzeichnet im Berichtsjahr einen leichten
Rückgang der Fördermenge, insbesondere
verursacht durch viele Revierumzüge. Nicht weniger als 15 fördernde Strebe laufen aus oder werden gestundet.
Dagegen nehmen 13 Gewinnungsbetriebe die Förderung auf, darunter auch 2 Strebe in den Flözen Zollverein
4 und 5. Die drei im Ostfeld in Flöz Finefrau eingerichteten Betriebe müssen wegen stark gestörter Lagerung
schon nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden. Trotzdem setzt man hier in der Hoffnung auf größere
Baulängen zwei neue Gewinnungsbetriebe an.
An den Förderer- und Hobelantrieben werden die Motorleistungen durch den Einbau wassergekühlter Motoren
von 90 bis 110 kW weiter gesteigert.
Die Einführung von kohlenstoßseitigen Leitplanken bringt eine Erhöhung des Füllquerschnittes beim PF
1-Strebförderer.
In den Gewinnungsbetrieben erfolgt die Installierung der ersten Strebbeleuchtungsanlagen mit
Stillsetzeinrichtung für Hobel und Strebförderer.
Erstmals wird im Strebförderer der Bauhöhe nach Westen in Flöz Zollverein 4 ein Doppelmittelkettenband
eingebaut. Verringerte Stillstandszeiten und erhöhte Lebensdauer der Kette sind die positiven Folgen.
Nach der Beschaffung einer weiteren Ausrüstung von Becorit- Wanderpfeilern für die nördliche Bauhöhe nach
Osten in Flöz Zollverein 5 verfügt das Bergwerk nun über 5 schreitende Strebausrüstungen.
Der Untertagebetrieb erhält weitere Siemens-Lasergeräte. Es zeigt sich deren Eignung auch bei Arbeiten im
Streb. So beim Verlegen und späterer Richtungsüberprüfung von Strebförderern.
In der Verbindungsstrecke hat sich der Förderbetrieb weitgehend normalisiert. Es gibt kaum noch
Entkupplungen. Der Verschleiß an Rädern und Schienen geht dank regelmäßiger Schmierung der
Schienenflanken stark zurück. Zum Erreichen einer gleichmäßigen und ständigen Beaufschlagung rüstet man
die Automatik- Lokomotiven zusätzlich mit einer Radschmiereinrichtung nach dem System De Limon-Flume
aus. Damit kann das Problem als gelöst gelten.Noch laufen aber umfangreiche Gleisarbeiten, um die
entstandenen Schäden zu beseitigen. Der automatische Lokomotivförderbetrieb in der Verbindungsstrecke
lockt Besucher nach General Blumenthal. Unter den zahlreichen Interessenten aus dem In- und Ausland ist aber
auch so mancher "ungläubige Thomas". So auch der Bergwerksdirektor der polnischen Zeche General
Zawadski, der einfach nicht glauben will, daß der Förderbetrieb hier ohne Lokführer abläuft. Vor der Abfahrt des
Kohlenzuges in Richtung Schacht 11 steht er vor der geöffneten Führerhaustür der Lok und bewacht den
Einstieg. Als der Zug anrollt, läuft er - bevor sein Begleiter eingreifen kann - einige Schritte, springt vor die Lok
und leuchtet mit seiner Lampe den nur etwa 50 cm breiten Raum zwischen Lok und Streckenstoß aus, um
sicher zu sein, daß sich nicht doch ein bisher versteckter Lokführer in den Führerstand mogelt. Ein gefährliches
Unternehmen. Einem ankommenden Leerzug läuft er auf dem Fahrweg entgegen. Es könnte ja im weniger
beleuchteten Teil der Strecke ein Maschinist vorher aussteigen.Danach ist auch er überzeugt.
Im 3. Querschlag betreibt man verstärkt Ausrichtungsarbeiten, um den begonnenen Abbau der Flöze unterhalb
der 7. Sohle fortzusetzen.
Der weitere Zuschnitt des Unterwerksbaues ist Gegenstand der Planung. Die Sicherung des Querschlags
macht besonders in den Bereichen der Flöze Wilhelm und Röttgersbank einen hohen Aufwand an Durchbau-
und Gebirgsverfestigungsarbeiten erforderlich.
Der 5. Querschlag auf der 9. Sohle wird nach Anfahren des Flözes Wilhelm gestundet.Der Schwerpunkt der
Planung liegt im Berichtsjahr im abbau- und fördertechnischen Zuschnitt der Vorräte im Feld CII/CIII.
Auf der 4. Sohle nimmt man im August die Weiterauffahrung des 9. Querschlages nach Norden von Flöz
Plaßhofsbank aus wieder in Angriff, um für die im Feld CII/CIII anstehenden Abbaue einen zentralen
Abwetterweg zu haben.
Die Aufklärungsstrecke im Flöz Karl 1 im gleichen Feld steht im Dezember rd.1.570 m zu Felde. Dort setzt man
das Abhauen nach Norden an. Auf der gesamten
Streckenläge zeigen sich ausgezeichnete geologische
Bedingungen für den kommenden Abbau.
Im Schacht 4 laufen Mauerwerksreparaturen zwischen der 5.
und 7. Sohle. An Schacht 8 beginnt man über Tage mit der
Begrünung der Bergehalde.
Im verfüllten Schacht 5 hat sich die Bergesäule abgesetzt.
Nach der erforderlichen Nachverfüllung wird eine
Betonabdeckung aufgebracht. Dieser Betriebsbereich
verbleibt nun bei der Hibernia-Altgesellschaft.
Die Verbesserung der flözgängigen Bohrkronen von 600 mm
Durchmesser für ein bohrendes Gewinnungsverfahren in steil
und mäßig geneigt gelagerten Flözen zeigt erste Erfolge. Bei
den Versuchen in Flöz Wasserfall auf der 7. Sohle, nördlich
der 4. Richtstrecke werden Bohrlochtiefen bis zu 100 m
erreicht. Die Entwicklung des Verfahrens läuft nun als
Forschungsvorhaben und erfährt erhebliche finanzielle Unterstützung durch das Land Nordrhein-Westfalen und
den Steinkohlenbergbauverein. Es ist das erste Forschungsvorhaben dieser Art auf General Blumenthal. Die
Ruhrkohle AG wird in den Folgejahren das Forschungswesen im großen Rahmen betreiben.
Über Tage wird die alte Schachthalle des Schachtes 6 abgerissen und eine neue Schachthalle erstellt. Der
neugestaltete Material- und Holzplatz ist zu Jahresende betriebsfertig.
Der Abbruch der alten Aufbereitung ist in vollem Gange. Nach dem Abriß der Sieberei laufen nun die Arbeiten
in der Wäsche und am Kohlenturm.
Die Wäsche an Schacht 11 erhält 2 Ascheschnellbestimmungsgeräte für Feinkohle nach der
Gamma-Rückstreumethode.
Beide Schachtförderungen an Schacht 11 werden mit verstärkten Ablenkscheiben versehen. Hier erfolgt neben
dem Abbruch von einigen Betriebsgebäuden auch die Demontage der alten Fördergerüste der ehemaligen
Schächt Shamrock 3 und 4.
Beim Betrieblichen Vorschlagswesen bringt ein erstmalig über 12 Monate laufender Wettbewerb nahezu eine
Verdoppelung der eingereichten Vorschläge. Erfreulicherweise können dabei 106 der 163 vorgeschlagenen
Verbesserungen im Betrieb Verwendung finden.
Die Ausbildungsabteilung ist weiter erfolgreich um die Nachwuchsergänzung bemüht. In diesem Jahr nehmen
von 192 Volksschülern des 9. Schuljahres rd.25% die Lehre auf General Blumenthal auf. Es stehen insgesamt
268 Jugendliche in der Ausbildung für den Untertagebetrieb. Damit liegt man mit 9,8% der
Untertagebelegschaft zwar immer noch unter dem Soll von 12%, nimmt aber nach wie vor eine Spitzenposition
innerhalb der Gruppe ein.
Die im Vorjahr angeworbenen 39 türkischen Gastarbeiter schließen mit Ablauf des Jahres ihre Ausbildung über
Tage ab und können zu Anfang des neuen Jahres in den Grubenbetrieb übernommen werden.
Die Wohnungswirtschaft meldet im Dezember 10 Eigenheime in der Hillerfeldmark als bezugsfertig. Im
Rahmen des 2. und 3. Bauabschnittes sind weitere 10 Eigenheime in der Planung.
Nach 40 Jahren findet in Recklinghausen erstmals wieder ein Weihnachtsmarkt in der Altstadt statt.