Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1966
Die SPD wird im Sommer stärkste Partei in Nordrhein-Westfalen. Ab Dezember regieren in Bonn CDU und
SPD gemeinsam.Bundeswirtschaftsminister der "Großen Koalition" wird Prof.Dr. Karl Schiller, der dann auch
das Bundesfinanzministerium übernimmt.
Die gesamte Wirtschaft verzeichnet 1966 einen leichten Rückschlag im Wachstum.
Bereits in den Jahren vorher haben sich die Stimmen von Unternehmer- und Gewerkschaftsseite gemehrt, die
im Bergbau die Schaffung optimaler Betriebsgrößen unter Aufsprengung der bisherigen Feldesgrenzen
forderten. Der Vorstandsvorsitzende der "Rheinische Stahlwerke AG", Werner Söhngen, schlug 1965 die
Bildung einer "Bergbau-Einheitsgesellschaft auf privatrechtlicher Basis" vor. Bundesregierung und
Unternehmensverband Ruhrbergbau lehnten ab. Dessen Vorsitzender, Helmuth Burkhardt, wollte notfalls eine
Auffanggesellschaft gründen, deren Verluste die öffentliche Hand zu tragen hätte.
Anfang des Jahres 1966 kündigt der Unternehmensverband die Stillegung weiterer Bergwerke mit einer
Jahreskapazität von mehr als 15 Mio t an.
In Gelsenkirchen protestieren am 19. Februar Tausende gegen die zum 30. September des Jahres
beschlossene Stillegung des Bergwerks Graf Bismarck.
Ab März werden wieder Feierschichten verfahren.
In den Kirchen finden Bittgottesdienste statt, um das Unheil von Zechenstillegungen von der Bevölkerung und
vom Land abzuwenden.
Im Mai wird ein Bergarbeiterstreik im letzten Augenblick verhindert. Der Bund erhöht - zum vierten Mal seit 1959
- die Anpassungsbeihilfen für Bergleute.
Ab dem 17. August können Untertagebergleute mit 55 Jahren statt bisher mit 60 Jahren in den Ruhestand
gehen.
Von der Fördermenge von 126 Mio t kann der Steinkohlenbergbau nur 117,9 Mio t Kohle absetzen. Die
Haldenbestände erreichen den Spitzenwert von 20,4 Mio t, die ausgelagerten 4 Mio t nicht mitgerechnet. Der
Unternehmensverband fordert im November die Gewährleistung für den Absatz von jährlich 117 Mio t
Steinkohle durch mengenmäßige Reglementierung des Mineralölmarktes. Die Bundesregierung sagt nun eine
Prüfung zu, ob eine private Konzentration des deutschen Steinkohlenbergbaus unter einheitlicher
unternehmerischer Führung auch ohne Verstaatlichung eine sinnvolle Lösung bringen kann.
Die Ölindustrie steigert ihre Einfuhren indessen ungehindert weiter. Im September nimmt eine von Genua nach
Ingolstadt führende Erdölleitung den Betrieb auf.
Im Verlauf der letzten 15 Jahre hat sich das Schwergewicht der wirtschaftlichen Tätigkeit des
Hibernia-Konzerns vom Bergbau auf die Energieerzeugung, Mineralölverarbeitung und Chemie verlagert. Der
veränderten Struktur des Konzerns entsprechend erhält die Firma im Berichtsjahr die Bezeichnung "Hibernia
Aktiengesellschaft".
Förderung und Absatz gehen weiter zurück. Die stärksten Absatzverluste ergeben sich bei der
eisenschaffenden Industrie und bei den öffentlichen Elektrizitätswerken. Die Untertageleistung aber
überschreitet im Dezember erstmals die 3-t-Grenze.
Die fördernden Anlagen der Gesellschaft verfahren im laufenden Jahr 8 Feierschichten.
Im Hinblick auf die bevorstehende Stillegung der Bergwerke Shamrock und Möller/Rheinbaben verfügt der
Vorstand eine Einstellungssperre.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal laufen die Vorbereitungen für die Zusammenlegung mit der Anlage
Shamrock 3/4 auf Hochtouren. Die Gegenortsbetriebe der Verbindungsstrecke fahren insgesamt 3.721 m auf
und nähern sich damit auf 2.499 m. Auf Blumenthaler Seite wird der Wetterdurchstich zum Schacht 1 angesetzt,
der die Abwetterführung für die Verbindungsstrecke übernehmen soll. Der Schacht selbst muß für diese
Aufgabe vorbereitet werden. Die mit den Arbeiten betraute Firma Deilmann nimmt ihre Tätigkeit am 07.
Februar auf. Am 01. März beginnen die Arbeiten im Schacht.
Im Berichtsjahr erfolgt das Rauben der alten Einbauten. Dabei gehen am 04. März unterhalb der 5. Sohle 8 alte
Rahmen ab, aber ohne Schaden anzurichten. Ähnliches geschieht nochmals in der Nacht zum 05. Juni, als kurz
oberhalb der 7. Sohle auf 15 m die alten Geviertrahmen zu Bruch gehen.
Im Bereich von der Rasenhängebank bis auf 370 m Teufe wird das alte Mauerwerk repariert.
Dabei findet man Maurerwerkzeug aus dem Gründungsjahr
des Bismarck'schen Reiches 1870/71, also älter als der
Schacht. Am 01. September 1873 hatte man bekanntlich
mit dem Abteufen des Schachtes 1 begonnen. Die
Reparaturen des Mauerwerks im Berichtsjahr bringen aber
auch böse Überraschungen. Man stößt auf mehrere große
Hohlräume, die eine eminente Gefahr für den Schacht
darstellen und auf nachlässiges Arbeiten beim Teufen
schließen lassen. Bergwerksdirektor Nehrdich hält sich mit
seinem Urteil nicht zurück.
Zwischen der 5. und der 7. Sohle ist der rechteckige
Querschnitt auf ein Rundprofil von 5 m lichten Durchmesser
zu erweitern.
Auf der 7. Sohle beginnt man im 5. Querschlag mit der Auffahrung der 2. Richtstrecke nach Westen zum 3.
Querschlag, um den Anschluß zur Verbindungsstrecke herzustellen. Auch wird die Herstellung der
Streckenabzweige im 3. und 5. Querschlag (Knoten West und Knoten Ost) in Angriff genommen.
Das Bergwerk General Blumenthal kann in der Kohlenförderung deutlich zulegen und überschreitet in der
Untertageleistung erstmals die Grenze von 3 tvF/MS, trotz der hohen Vorleistungen, die der bevorstehende
Verbund fordert. Besonders erfreulich ist, daß im Berichtsjahr keine Toten zu beklagen sind.
Die geförderte Kohle kommt vor allem aus den Streben der Fettkohlenflöze Hugo, Dickebank, Röttgersbank,
Katharina und Karl. Der neu angelaufene Betrieb in Gaskohlenflöz Zollverein 4 bringt bis Juli rd. 18.500 tvF. Der
Streb in dem nur 80 cm mächtigen Flöz Röttgersbank fördert täglich 1.000 tvF bei einer enormen
Gewinnungsleistung von 60 tvF/MS . Bei der Einrichtung des Strebs in Flöz Wasserfall, 2. Bauhöhe nach Osten
(3.Querschlag), kommen erstmals 6 -Stempel-Wanderpfeiler der Firma Becorit, System Gullick, zum Einsatz.
Die Nachbarsteuerung wird eingeführt. Dabei betätigt der mit dem Rücken des Ausbaus beschäftigte
Bergmann den Nachbarpfeiler, später auch ganze Gruppen, während er selbst unter festem Ausbaudach steht.
Bereits 36,7% der geförderten Kohle kommen aus Streben mit schreitendem Ausbau.
Im Berichtsjahr läuft auf dem Bergwerk General Blumenthal der letzte Streb aus, in dem die Kohle mit
Abbauhämmern abgebaut wurde.
Die Gewinnung im Streb ist nun vollmechanisiert.
Die Gewinnungsbetriebe in der flachen Lagerung werden fast
ausschließlich im Bruchbau geführt. Nur eine Blasmaschine
läuft noch.
Am 15. August wird wegen Absatzmangels eine Feierschicht
eingelegt - erstmals seit 1959.
Auf dem Transportsektor unter Tage ermöglicht die neu
entwickelte EHB-Laufschiene 140 E den Transport schwererer
Lasten und den erweiterten Einsatz von Eigenantrieben.
Ingenieure des Bergwerks General Blumenthal entwickeln in
Zusammenarbeit mit der Firma Scharf in Hamm für den Personentransport einen Kugelkreisförderer mit an der
Firste aufgehängten Spezialschienen, der als Vorläufer der späteren Sessellifte gelten kann. Der Einsatz im
Gesteinsberg Röttgersbank im 3. Querschlag, unterhalb der 7. Sohle bringt jedoch wegen des starken
Verschleißes und hoher Störanfälligkeit nicht den erhofften Erfolg.
Das Abteufen des Schachtes 8 geht zügig voran. Zwar müssen
Undichtigkeiten im inneren Betonmantel beseitigt werden, der Schacht
aber erreicht am 01. Juli eine Teufe von 439 m. Ende August bedingen
Wasserzuläufe von ca. 20 l/min eine kurzzeitige Unterbrechung der
Teufarbeiten.
Am 07. November ist bei 596,4 m das Karbon erreicht und man durchteuft
das erste Kohlenflöz - das Flöz Karl 1. Bei 610 m Teufe wird das Füllort zur
4. Sohle ausgesetzt. Der Schacht 8 ist am Jahresende 626,5 m tief.
Auf der 7. Sohle nimmt man im 9. Querschlag nach Norden den
Wetterdurchstich zum Durchsetzpunkt des Schachtes 8 in Angriff.
Die Umbauarbeiten im Schacht 3 nähern sich ihrem Ende. Im Juli muß noch
einmal ein kurzer Bereich unterhalb der 5. Sohle abgedichtet werden.
Am 09. August fällt nach einer Standzeit von 71 Jahren das Fördergerüst.
Fünf Kilo Sprengstoff bringen den Riesen zu Fall. Etwa 17 Mio t Kohle
kamen durch den Schacht 3 zu Tage. Das entspricht der Länge eines Güterzuges, der 3-mal von
Recklinghausen bis zur russischen Hauptstadt Moskau reicht.
An dieser Stelle
soll aber auch
des Unglücks
vom 29.
September 1898
gedacht werden,
als Ende der
Morgenschicht
durch Übertreiben
beide
Förderkörbe im
Schacht
abgingen und 17
Bergleute den
Tod fanden.
Ab Herbst 1966 wird nun von der Firma GHH das neue Fördergerüst
errichtet. Am 13. Dezember ist Richtfest. Der Korb bietet Platz für 70
Personen. Noch fahren auf der Anlage 3/4 im Durchschnitt täglich 750
Bergleute an. Bei der bevorstehenden höheren Beaufschlagung des
Ostfeldes aber wird die erweiterte Schachtkapazität bald erforderlich sein.
Der Schacht 3 dient weiter der Wetterführung, der Seilfahrt und dem Materialtransport. Im Bereich der
horizontalen Aus- und Vorrichtung werden die oberhalb der 5.Sohle an Blindschacht 781 liegenden Strecken
abgeworfen, wie auch der 4.Querschlag auf der 5. Sohle nördlich Schacht 2. Abgeworfen werden auch die
Blindschächte 67 (3. Sohle), 75 (7. Sohle) und 47 (7. Sohle, nahe Schacht 3).
Der Abbau im Feld B III erscheint wegen angefahrener größerer Störungen wenig erfolgversprechend und
macht die Stundung der Auffahrung der 3. Querschläge auf der 3. und 7. Sohle sinnvoll.
Nach dem Aufschluß des Eßkohlenflözes Finefrau in der 4. Richtstrecke auf der
7. Sohle und oberhalb der 7. Sohle in der Achse des 9. Querschlages steht das
bis zu 2 ,80 m mächtige Flöz mit 2.000 tvF/Tag in der mittelfristigen Planung. Zu
Aufklärung sollen die Strecken vollmechanisiert mit einem Continuous Miner im
Flöz aufgefahren werden.
Die elektro-hydraulisch angetriebene Vortriebsmaschine fährt auf Raupen. Auf
dem beweglichen Kopf laufen 8 Schrämketten. Ein Leihgerät vom Typ Joy 3
JCM 4 von der Niederrheinischen Bergwerks-AG läuft ab dem 15. Juli vom
Flözberg aus zur Auffahrung der Kopfstrecke nach Osten und fährt nach 218 m
eine größere Störung an. Nach Austausch der Maschine gegen ein
Hibernia-eigenes Gerät des Typs Joy 3 JCM 5 (nachfolgend kurz CM genannt)
trifft man bei der Auffahrung der Kopfstrecke nach Westen nach 190 m ebenfalls
auf eine Störung.
Der Steinkohlenbergbauverein gibt nun nach Durchschallungen des Gebirges
einen Punkt für den Ansatz der Bandstrecke nach Osten an, der eine Auffahrung
ohne Störung garantieren soll. Aber eben die ist auch dort nach 134 m erreicht.
Im Folgejahr soll nun versucht werden, das Flöz Finefrau von der 4. Richtstrecke
auf der 7. Sohle aus in Richtung 9. Querschlag nach Norden aufzuklären. Dazu wird im Berichtsjahr die 1960
abgemauerte 4. Richtstrecke am 9. Querschlag von der Grubenwehr geöffnet und durch erneuten Einbau der
Sonderbewetterung wieder befahrbar gemacht. Hohe
Temperaturen machen diese Aufgabe schwierig, da
die Männer mit Gerät arbeiten müssen. Ständige
Überwachung von über Tage ist unabdingbar.
Bergwerksdirektor Nehrdich selbst übernimmt die
Nachtschicht, zusammen mit Bergrevierinspektor
Wenzel und Dipl.-Ing. Bernauer.
Am 05. September kann auf der 7. Sohle in der 4.
Richtstrecke die mit einer vollautomatischen Kippe
ausgerüstete neue Bergebrechanlage in Betrieb
genommen werden. Die Anlage versorgt nun auch die
zwischen der 4. und 7. Sohle laufenden steilgelagerten
Gewinnungsbetriebe in den Flözen Dickebank und
Wasserfall mit Brechbergen. Die Berge werden auf
der 4. Sohle am Blindschacht 791 aus dem Skip von einem Zug mit Seitenentleerewagen übernommen und
durch die Kopfstrecken zum Streb gebracht. Dabei erfolgt die Steuerung der Lokomotive über Funk vom
Seitenentleerer aus. Das Wort "Geisterzüge" geht um, da kein Lokführer auf der Maschine sitzt.
Im Tagesbetrieb geht an Schacht 7 die neue 35 kV-Schaltanlage ans Netz. Dort nimmt man auch am 02. Mai
die Fernheizanlage in Betrieb.
Der Landabsatz erhält eine LKW-Verladeanlage für Waschberge. Das entlastet die Zechenbahn.
Der Ausbau der Grubenwarte wird intensiviert. Von hier aus sollen Lokumlauf, Kohlen- und Bergezüge sowie
Materialversorgung zentral gesteuert werden. Die Anzeige und Erfassung der Laufzeiten der
Gewinnungsmaschinen und Stetigfördermittel wird ein schnelles Eingreifen bei Betriebsstörungen
ermöglichen.Schachtförderung und Wagenstand an den Ladestellen sollen hier angezeigt werden. Auch die
CH4- und CO-Überwachung erfolgen von dieser Stelle aus. Insbesondere aber bei Unfällen und wichtigen
Ereignissen unter Tage wird die Grubenwarte für die Einleitung von Maßnahmen die Zentrale sein.
Das abgesaugte Grubengas findet im Kesselhaus an Schacht 6 für die Fernheizung Verwendung. Seit der
Inbetriebnahme der Absauganlage im März 1953 sind nun bis Ende des Berichtsjahres fast 250 Mio Nm3 Gas
abgesaugt worden. Der in dieser Zeit erzielte Reingewinn beträgt 8,7 Mio DM. Auch muß darauf hingewiesen
werden, daß in all den Jahren ein Abbau besonders in den Flözen Gretchen, Hugo und Karl bei steigenden
Verhiebsgeschwindigkeiten ohne Gasabsaugung nicht mehr möglich gewesen wäre.
Im Berichtsjahr steigt die Anzahl der Vorschläge für betriebliche Verbesserungen auf 118. Davon kommen
immerhin 90 Vorschläge zur Durchführung. Bei 13 Verbesserungen sieht man eine Schutzwürdigkeit und gibt
diese zur Patentanmeldung frei.
Im Ausbildungswesen läuft mit dem 4. Berufsfindungsjahr diese Maßnahme nach dem bisherigen Modus einer
12 -monatigen Dauer mit der Umstellung auf Kurzschuljahre am 22. Dezember aus. 63% der Teilnehmer haben
eine Lehre auf dem Bergwerk aufgenommen. Im kommenden Jahr wird statt dessen das Christliche
Jugenddorfwerk einen Berufsfindungslehrgang von nur noch 6 Monaten Dauer anlaufen lassen, bei dem die
Teilnehmer keine Belegschaftsangehörigen mehr sind.
Schüler des freiwilligen 9.Schuljahres der Grundschule "Im Romberg" erhalten Gelegenheit zu einem 14-tägigen
Betriebspraktikum in der Lehrwerkstatt. Von den Schülern nehmen 20% eine Lehre auf General Blumenthal
auf.
Dank der vorgenannten Maßnahmen liegt der Index des bergmännischen Nachwuchses mit 10,4% der
Belegschaft unter Tage zwar besser als auf allen anderen Hibernia-Anlagen. Es nehmen aber immer noch zu
wenig der ausgebildeten Jungbergleute die Arbeit unter Tage auf. Die Industrie schätzt deren guten
Ausbildungsstand und wirbt auch weiterhin nicht wenige der Jungbergleute ab. Auch der Leiter der
Angestelltenabteilung der IGBE, der am 20. April auf General Blumenthal eine Grubenfahrt unternimmt, äußert
sich vor der Presse besorgt zur Frage des bergmännischen Nachwuchses.
Für besondere Verdienste um das Jugenddorf erhalten der Berufsschulleiter Schulte-Ladbeck und der Rektor
Reschke die Jugenddorfspange in Gold.
Im Rahmen des von der Hibernia AG ins Leben gerufenen deutsch-französischen Jugendaustausches, der sich
zum 12. Male jährt, wohnen im Juni 24 französische Jungarbeiter im Jugenddorf oder bei Bergmannsfamilien.
Die deutschen Teilnehmer lernen den nordfranzösischen Bergbau kennen und knüpfen Kontakte zu
französischen Bergleuten und ihren Familien.
Im Februar befahren 8 Regierungsassessoren aus Düsseldorf den Hobelstreb in Flöz Hugo.
Im März wählen die Bergleute einen neuen Betriebsrat auf die Dauer von 3 Jahren, nachdem die Wahl vom
März 1965 auf Einspruch der Christlichen Bergarbeiterbewegung und des Bergarbeiterverbandes Marl vom
Arbeitsgericht in Herne für ungültig erklärt worden war. Vorsitzender ist weiterhin Walter Kastner. Die Wahl des
Angestelltenvertreters bleibt gültig.
Das letzte Grubenpferd im Ruhrgebiet, der
18-jährige Wallach "Tobias", verfährt in der Nacht
zum 22. Juni nach 12 Jahren Arbeit unter Tage
seine letzte Schicht.
Seine Aufgabe bestand in den vergangenen 2
Jahren nur noch darin, auf Nachtschicht einmal
eine leere Lokbatterie auf der 7. Sohle vom
Blindschacht 85 bis zum Schacht 4 zu ziehen und
die aufgeladene Batterie vom Schacht 4 wieder
zurück zum Blindschacht zu bringen. Das von den
Hauern Konrad Schulke und Manfred Waldmann
versorgte Pferd wurde in der letzten Zeit von den
Bergleuten verwöhnt und war hinsichtlich der
vielen angebotenen Leckerbissen recht anspruchsvoll geworden.
"Tobias" nahm noch lange nicht jedes Butterbrot. Besonders allergisch aber war er gegen den Geruch von
Knoblauch. Elektro-Obersteiger Josef Pfitzner, der dieses edle Gewächs gern reichlich nahm, hatte bei
Gesprächen mit ihm so seine Schwierigkeiten. Der Wallach ging deutlich mit dem Kopf zurück und schüttelte
sich schnaufend. Seine besondere Abscheu aber galt stets dem Förderkorb, auf den er auch zu seinen
Erholungszeiten über Tage nur schwer
zu bringen war. So greift Schachtsteiger Heinrich Rawers zu einer List.
Zu seiner letzten Fahrt zu Tage in der Nacht zum
23. Juni wird "Tobias" am Schacht 4 zunächst auf
einen Flachteckel bugsiert. Dann aber klappen
zu seiner Verwunderung von allen 4 Seiten mit
Scharnieren angebrachte Holzwände hoch, so
daß er einfach aufgeschoben werden kann. Der
Betriebsratsvorsitzende Kastner würdigt die
Verdienste des Vierbeiners: "Du kamst selten in
mein Büro.Richtig verstanden habe ich dich nie.
Mehr als 9 Förderwagen zogst du nicht.
Versuchte man, dir nur einen mehr anzuhängen,
dann bliebst du stehen. Man hätte dich
totschlagen können". Auf der Weide des Steigers
Alfred Schwarzkopf am Stübbenberg findet nun
der Wallach sein Gnadenbrot. Die
Pressenachricht über das letzte Grubenpferd des
Reviers bringt ein nachhaltiges Echo. Der
holländische Hotelbesitzer Hiestra aus Wiyk aam Zee schickt dem treuen Tier ein Kilo Zucker und läd Manfred
Waldmann zu einem kostenlosen Wochenendaufenthalt in sein Hotel "Bon Saada" ein. Noch lange Zeit
kommen Liebesgaben wie Säcke mit Möhren und anderen Leckereien auch aus anderen Bundesländern an
die Adresse von "Tobias".
In diesem Zusammenhang sei übrigens daran erinnert, daß während der Abteufarbeiten von Schacht General
Blumenthal 1 bis 1879 und auch in den Jahren danach weiter entfernt wohnende Bergleute oft auf
Pferdesrücken zur Schicht kamen. Es gab Ställe in Schachtnähe, wo die Vierbeiner untergestellt werden
konnten. Aber auch die umliegenden Bauern boten gern Unterstellmöglichkeiten an. Die "Parkgebühr" erhielten
die Bauern in Form von wertvoller Steinkohle aus dem Deputat des Kumpels.
In Speckhorn erzählt man sich noch heute die Episode über den "Fehltritt" eines berittenen Kumpels. Dieser
hatte wohl - warum auch immer - an einem Frühjahrsmorgen die Zeit verschlafen und ritt von Sinsen kommend
hinter Haus Niering her aus der Burg vorstoßend in Richtung Zeche. Dabei wählte er die kürzeste Entfernung
über die Wiesen eines Bauern, dem das gar nicht gefiel, als dieser Weg auch in der Folgezeit dem Kumpel
sichtlich zusagte. So versuchte er den Übeltäter dingfest zu machen. Der Bauer bewaffnete sich mit einer
Klistierspritze, die er mit gelber Farbmischung gefüllt hatte und stellte sich am frühen Morgen wartend hinter
einen Baum. Als der Kumpel angallopiert kam, drückte er in Richtung des Pferdebollens ab, begab sich dann
zum Pferdestall der Zeche und machte das gelbbetupfte Tier ausfindig. Es ist nicht wörtlich überliefert, was der
schlaue Landmann dem verdutzten Kumpel in plattdeutsch an den Kopf geworfen hat. Doch sagt man, die
beiden hätten sich dann bei einem guten Schluck versöhnt.
An dieser Stelle soll aber auch an das verhängnisvolle Jahr 1945 gedacht werden, als vor Wiederaufnahme der
regulären Arbeit einige Pferde in der Grube tagelang ohne Futter und Wasser ihrer Rettung durch den
Menschen harrten. In ihrer Not hatten sie die Holzstempel angenagt. Die Bergleute fuhren an Schacht 2 zur 7.
Sohle an, liefen durch die oft unter Wasser stehenden Strecken nach Schacht 3 und kletterten 160 m im
Schacht hoch zur 5. Sohle, um die erschöpften Tiere zu erreichen, den Rotschimmel "Hektor", den braunen
Wallach "Max", den Wallach "Altmarkt" und den unter Tage geborenen Wallach "Ebbe". Wasser sammelte man
von den Tübbingen im Schacht. Es dauerte einige Tage, bis diese und die in anderen Teilen des Grubenfeldes
stehenden Pferde von Schachtsteiger Wischmeier zu Tage gebracht werden konnten.
Fahrsteiger Gerken nach seiner letzten
Schicht
v.l.: Fahrsteiger Pelz, Fahrsteiger
Borgmann, Dipl.-Ing. Siepmann,
Fahrsteiger Heipertz, Obersteiger
Pothmann, Fahrsteiger Gloger,
Fahrsteiger Schulz, Fahrsteiger Gerken,
Fahrsteiger Riemer, Obersteiger Hilgert,
Betriebsführer Spree, Tagesbetriebsführer
Löhken, Obersteiger Sebastian,
Wetterfahrsteiger Waschke
Am 30. April tritt der Staubingenieur,
Fahrsteiger Heinrich Gerken, in den
Ruhestand. Sein Nachfolger wird
Dipl.-Ing.Erich Siepmann.
Am 01. Oktober verabschiedet sich Grubenbetriebsführer Walter Wengeler vom aktiven Bergmannsleben. Ihm
unterstanden zuletzt die gesamte Aus- und Vorrichtung, das Lehrrevier, die Schächte und Wasserhaltung sowie
die Sprengstoffwirtschaft.
Am 06. Oktober verstirbt Dipl. Berging. Dr. Ernst Treichel. Er leitete das Bergwerk General Blumenthal in der
Zeit von 1937 bis 1945. Seine besondere Sorge galt der Unfallverhütung.
Der Leiter des Versands, Wilhelm Pluntke, kann auf 50 Jahre Zugehörigkeit zum Betrieb zurückblicken. Der
Goldjubilar wird für seine Betriebstreue mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.
In diesem Jahr erhält die Volkssternwarte der Stadt ein Planetarium.