Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1955
Der günstige Konjunkturverlauf des Jahres 1955 führt bei fast sämtlichen Wirtschaftszweigen im Bundesgebiet
zu einer weiteren Ausdehnung der Produktion und damit zur verstärkten Nachfrage nach Brennstoffen. Im
Vergleich zum Produktionsanstieg im Bundesgebiet bleibt die Zunahme der Leistungen des Bergbaus aus
naturbedingten Gegebenheiten und aus Mangel an Arbeitskräften erheblich hinter dem Bundesdurchschnitt
zurück. Noch immer kann die steigende Steinkohlenförderung den wachsenden Bedarf insbesondere der
Eisen- und Stahlindustrie nicht decken. Der Kohlepreis liegt nun bei 43 DM/t. Es muß zusätzlich teurere
Kraftwerkskohle eingeführt werden. Die deutsche Stahlerzeugung nimmt nach den USA und der Sowjetunion
den dritten Platz in der Welt ein.
Die Bergwerksgesellschaft Hibernia AG kann mit einem Anteil von 8,9% der Ruhrkohlenförderung und 18,4%
der Zechen-Stromerzeugung in allen Betriebszweigen Produktionssteigerungen erzielen. Die Kohlenförderung
erhöht sich um 2,1%. Die Untertageleistung kann von 1,471 tvF/MS auf 1,558 tvF/MS verbessert werden,
erreicht jedoch den Ruhrdurchschnitt von 1,572 tvF/MS noch nicht.Für Investitionen wendet die Gesellschaft
84,1 Mio DM auf.
Die Löhne im Bergbau steigen um 10%. Die Bergleute in der Gewinnung und im Vortrieb erhalten nun eine
zusätzliche Produktionsprämie von 50 DM, die übrigen Bergleute 20 DM monatlich, wenn sie alle Schichten
verfahren.
Erhöhte Arbeitskosten, steigende Materialpreise und Abschreibungen auf Untertageanlagen lassen eine
spürbare Verbesserung der Ertragslage der Grubenbetriebe nicht zu.
Auf dem Bergwerk General Blumenthal werden für den Blindschacht 76 auf der 7. Sohle von Januar bis April
die Haspelkammer und der 5 m tiefe Sumpf fertiggestellt. Nach der Herstellung eines 28 m hohen Aufbruchs zur
Bunkerung der Berge beginnt das Abteufen auf Großbohrloch. Nach den Einbauten wird die Wendel installiert.
Am 09. Dezember wird der Blindschacht 76 von der Bergbehörde abgenommen und zur Seilfahrt
freigegeben.
Die Aufschlußarbeiten für die Kohlenvorräte in den C-Feldern beginnen. Auf der 7.Sohle fährt man ab Mai aus
dem 7. Querschlag die Kurve nach Osten auf und nimmt die Herstellung der 4. Richtstrecke nach Osten in
Angriff.
Am Anschlag Karl des Blindschachtes 82 (später Bl. 952) wird das erste Stahlgliederband durch eine
Stahlraupe ersetzt. Die Ladestelle selbst erhält den ersten Breitförderer der Firma Beien, Herne.
Der Materialtransport erfolgte bis zu diesem Zeitpunkt vom Ende der Lokomotivförderung aus bis in den
direkten und mittelbaren Abbaubereich durch Schlepperhäspel und Pferde sowie Förderung von Hand. Die
1.100-l-Wagen und Rungenteckel liefen auf leichtem Grubengestänge mit einem Profil von 80 mm und einer
Spurweite von 600 mm. Die Abbaustrecken unterliegen im Regelfall einer starken Verformung durch den
nacheilenden Abbaudruck, dem auch die Streckensohlen ausgesetzt sind. Die Instandhaltung des
Transportweges erfordert hohen Arbeitsaufwand. So versucht man erstmalig, den Materialtransport durch an
der Firste aufgehängte Schienen, an denen Lastkatzen laufen, von der Beschaffenheit der Streckensohle
unabhängig zu machen. Diese "Hängebahnen" finden rasch Verbreitung. In den Folgejahren setzt nun die
Entwicklung des Einschienenhängebahn- Systems ein. Pionierarbeit leisten dabei die führenden
Transportfirmen Scharf in Hamm,
Becorit in Recklinghausen und Krampe in Hattingen.
Im Verlauf des Jahres erfolgt die Einrichtung der Gasabsaugung in Flöz Karl 1 auf der 7. Sohle.
Der 1953 begonnene Umbau der Kohlenwäsche wird im Berichtsjahr abgeschlossen.
Am Jahresanfang wird die alte Badeanstalt auf dem Gelände der Anlage 1/2/6 abgerissen und es fällt die
Entscheidung über den Neubau des Gesundheitshauses. Dieses soll nun in den Räumen des alten Solbades
und der Feuerwehr Platz finden. Der Gebäudeteil wird um 2,5 m nach Süden verbreitert und aufgestockt, wobei
in der ersten Etage auch noch die Werksfürsorge untergebracht wird und zusätzliche Räume erhält. Die Kosten
des Gesamtobjektes liegen bei etwa 315.000,- DM. Das neue Gesundheitshaus hat nun neben dem
medizinischen Trakt eine moderne Badeabteilung mit Sauna. Die Bauarbeiten werden ohne Verzögerung
aufgenommen.
Im Zuge des Druckluftverbunds der Bergwerke wird zwischen den Schächten Schlägel und Eisen 3/4 und
General Blumenthal 3/4 eine 9,2 km lange Niederdruckluftleitung in Betrieb genommen.
Der Nachwuchs an Berglehrlingen kann nicht allein vom Ruhrrevier gestellt werden. So erfolgt nun verstärkt eine
Anwerbung von Jugendlichen aus Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen.
Am 01. Januar wird Fahrsteiger Bernhard Schroer Obersteiger.
Dipl.-Ing. Heinrich Wunsch übernimmt zum gleichen Zeitpunkt die Wirtschaftsabteilung des Bergwerks.
Rechnungsführer Emil Brede geht am 01. März in den Ruhestand.
Sein Nachfolger wird der bisherige Magazinverwalter Alfred Markötter sen..
In diesem Jahr wechselt auch Grubenbetriebsführer Emil Hahne ins Privatleben.
Betriebsführer Georg Uebbing wird alleiniger Leiter des Grubenbetriebes.
Am 01. September kommt Betriebsführer Heinrich Strieter vom Bergwerk Wilhelmine Victoria zum Bergwerk
General Blumenthal. Er findet in den Folgejahren vor allem im Bereich des Schachtes 7 sein Betätigungsfeld.
Heinrich Moll wird zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt. Er löst Ernst Südhofer ab.
Im Berichtsjahr wird das Westfälische Sinfonieorchester gegründet.