Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1951
Die Energiekrise greift am Jahresanfang nun auch auf die Wirtschaft ber. Die Bundesbahn schränkt ab dem 10.
Januar den Reisezugverkehr ein. Seit dem 15. Januar sind die amtierenden Wirtschaftsminister der Länder
und der bayerische Staatsminister des Inneren gehalten, den Stromverbrauch in ihren Ländern um 25% des
Verbrauchs der Großabnehmer zu verringern. Wird mehr verbraucht, schalten die Lastverteiler die Stromzufuhr
in der folgenden Woche ab.
Die Rationalisierungsmanahmen werden zunächst bis zum 31. März begrenzt. Bereits am 14. Februar aber
können die Einschränkungen in der Stromversorgung für die Industrie teilweise wieder aufgehoben werden. Der
Zusammenbruch der Industrie bleibt aus. Im weiteren Jahresverlauf müssen die offiziellen Kohlezuteilungen
weiter gekürzt werden. Die Industrie erhält im 3. Quartal nur noch 50% der Kohle-Richtmengen des 2. Quartals.
Obwohl es mancherorts zu vorübergehenden Einschränkungen in der Produktion kommt, werden
Betriebsstillegungen vermieden.
Der Grund für das "Kohlewunder" ist ein offenbar existierender schwarzer Markt für Kohle. Sachverständige
schätzen sein Volumen auf 1 Mio. Monatstonnen.
Im Mai erfolgt der Erlaß des Gesetzes ber die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und
Vorständen der Montanindustrie. Etwa 20 Bergbaugesellschaften fallen nicht unter das Gesetz, weil sie weniger
als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen.
Am 31. Juli wird die Gesellschaft Hibernia gem. Anordnung Nr. 5 zum Gesetz Nr. 27 von der Überwachung nach
diesem Gesetz befreit. Nun kann die Hauptversammlung nach dem erlassenen Mitbestimmungsgesetz einen
neuen Aufsichtsrat wählen, der dann den Vorstand neu bestellt. Das geschieht im Folgejahr.
Die Statistik zeigt, da nur 34 von 140 Ruhrzechen jünger als 70 Jahre sind. Der deutsche Steinkohlenbergbau
soll aber seine Förderung halten, wenn möglich sogar erhöhen. So setzen nun Bundesregierung und
gewerbliche Wirtschaft umgehend erhebliche Investitionen zur Umstellung der Betriebseinrichtungen auf den
neuesten technischen Stand und zur Erweiterung der Betriebsanlagen durch. Die Tonne Kohle kostet etwa 30
DM, Koks ca. 50 DM. Abnehmer zahlen für den Bergmannswohnungsbau eine Abgabe von 2 DM je Tonne
Kohle.
Mitte des Jahres ergeht eine Sonderpreisregelung für erbrachte Mehrförderung. Gleichzeitig werden die
Exportpreise angehoben.
Die Amerikaner zeigen sich interessiert am raschen Wiederaufbau Westeuropas. Im Juni 1951 sollen 13
Milliarden Dollar an nordamerikanischer Wirtschaftshilfe als langfristige Darlehen oder verlorene Zuschüsse
gezahlt worden sein.
Im 3. Quartal wird die Einfuhr von Heizöl gegen Dollarbezahlung gestattet. Das Öl tritt auf den Plan. Einige
Zechengesellschaften steigen ein. Sie gelten wegen ihrer Ölinteressen als "Zebras". Zu Beginn der Absatzkrise
am Ende des Jahrzehnts werden sie über einen Marktanteil von etwa 40% verfügen.
Die Grubenbetriebe der Bergwerksgesellschaft Hibernia erbringen im Berichtsjahr eine verwertbare Förderung
von 9,724 Mio t bei einer Untertageleistung von 1,410 tvF/MS. Die Gesellschaft erwirtschaftet erstmals nach
dem Krieg wieder einen kleinen Gewinn, der vorwiegend auf die guten Betriebsergebnisse der Kokereien, der
Kraftwerke und des Stickstoffwerkes zurückzuführen ist.
Seit 1948 ist die Belegschaft der Hibernia um 4.506 auf 42.826 Mitarbeiter gestiegen. Hohe Kosten verursacht
die Aufstockung der Belegschaft mit Bergfremden, die zunächst keine entsprechende Leistung bringen und oft
schnell wieder abwandern. Für die Unterbringung von auswärtigen Jugendlichen und von angeworbenen
bergfremden erwachsenen Arbeitern stehen 7 Berglehrlingsheime und 13 Bergarbeiterwohnheime zur
Verfügung. Erstmals nach dem Krieg erreicht man bei den Jugendlichen wieder die normale Nachwuchsquote
von 4%.
Auch die Nachholung der Reparaturen von Betriebsanlagen und Wohnungen, die im und nach dem Krieg
unterlassen wurden, erhöht die Kosten.
In größerem Umfang erfolgt nun unter Tage die Umstellung von Holzausbau auf eisernen Grubenausbau mit
Einzelstempeln.
Die verwertbare Förderung auf General Blumenthal steigt im Vergleich zum Vorjahr um 92.014 t. Die Leistung
unter Tage liegt nun an der Spitze der 13 Hibernia-Bergwerke (einschl. der beiden bayerischen
Pechkohlen-Bergwerke) und nur um 0.12% unter dem Ruhrdurchschnitt. Erstmals erarbeitet man ein positives
Betriebsergebnis, das sich in den kommenden Jahren stabilisieren wird.
Die Gesamtförderung besteht zu 99,18% aus Fettkohle aus den Flözen Hugo, Karl, Gretchen, Dickebank,
Wasserfall, Gustav und Wilhelm und zu 0,82% aus Gaskohle des Flözes Zollverein 1.
Im Abbau werden 29,5 Schichten je 100 tvF verfahren, 0,7 Schichten weniger als im Vorjahr.
Groß ist der Nachholbedarf an Aus- und Vorrichtungsarbeiten.
Im Berichtsjahr werden an Querschlgen und Richtstrecken 2.017 m aufgefahren. Die Gesamtlänge des
Gesteinsstreckennetzes gibt der Bergmännische Zahlenbericht mit 26.644 m an.
Auf dem Bergwerk werden im laufenden Jahr 3 Blindschächte abgeteuft. Es sind dies:
- Blindschacht 89 (8. Sohle,7.Querschlag,Fl.Hugo 1)
- Blindschacht 86 (7.Sohle,7.Querschlag,Fl.Karl 2)
- Blindschacht 91 (5.Sohle,6.Querschlag,Fl.Zollverein 1).
Die Gesamtlänge der vorhandenen Blindschächte betrgt damit nun 3.069 m.
Die Entwicklung der Großlochbohrtechnik im Gestein beginnt. Auf diesem Gebiet werden in den Folgejahren
beachtliche Erfolge erreicht.
An Gewinnungsgerten verzeichnet man:
- 1 Schrämmaschine (50 PS)
- 1 Kerbmaschine (20 PS)
- 14 Kohlendrehbohrmaschinen (28 PS)
- 772 Abbauhmmer.
Erstmalig wird auf dem Bergwerk in Flöz
Gretchen eine Hobelanlage eingebaut. Der
Löbbe-Hobel hat kohlenstoßseitig eine
freilaufende Kette. Die Rücklaufkette wird in
einem Rohr am Strebfürderer geführt. Die
Fettkohle des nur etwa 0,8 m mächtigen
Flözes scheint geeignet für den Versuch mit
dem damaligen Prototyp einer
Hobelanlage mit einer
Hobelgeschwindigkeit von 0,387 m/s in
Verbindung mit einem Stegkettenförderer
des Typs Pf I-S. Auch läßt das feste
Flözhangende eine stempelfreie Abbaufront
zu. Die Beschaffungskosten betragen
177.295,53 DM. Dieser Ersteinsatz dauert
nur wenige Monate und muß beim Durchfahren einer größeren Störung abgebrochen werden.
Im Juli wird auf General Blumenthal erstmalig eine Gasabsaugung installiert. Diese Maßnahme ist wegen des
hohen CH4-Gehaltes von 1,6% in der Kopfstrecke der 2. westlichen Bauhöhe des Flözes Gretchen erforderlich,
zumal dort beabsichtigt ist, vom bisherigen Blindortversatz auf Bruchbau überzugehen. Damit hat man mit
einem zusätzlichen Anfall von Grubengas zu rechnen. Erste Bohrlöcher von 70 m Länge zeigen in dem stark
gashöffigen Flöz sofort recht guten Erfolg. Gebohrt wird im Flöz, aber auch im Hangenden und im Liegenden.
Der Gasgehalt sinkt auf 0,6%. Dem Abbau in Flöz Gretchen folgt gleichzeitig mit höherem Abbaufortschritt ein
Streb in dem etwa 70 m darunter liegenden Flöz Hugo. Dies hat zur Folge, da die zwischen den beiden Flözen
liegenden Schichten aufreißen und CH4 aus den unterhalb des Flözes Gretchen liegenden Flözen Hugo 1
sowie Mathilde, Anna, Matthias und einem Kohlenstreifen von 50 cm Mächtigkeit in den Abwetterstrom von Flöz
Gretchen gelangt und dort den Gasgehalt wieder auf 1,7% ansteigen läßt. Erst nachdem Bohrungen im
Liegenden von Flöz Gretchen bis in den Horizont von Flöz Mathilde niedergebracht und gleichzeitig von Flöz
Hugo 1 weitere Bohrungen bis ins Hangende von Flöz Mathilde getrieben werden, sinkt der CH4-Gehalt im
Abwetterstrom von Flöz Gretchen wieder auf den alten Wert von 0,6%.
In der Folgezeit werden in den Flözen Hugo 1 und Karl 1 weitere Gasbohrungen mit Erfolg vorgenommen.
Sogar einige "Bläser" in Steckenvortrieben können abgesaugt werden. In allen Fällen erfolgt eine Verrohrung
der Bohrlöcher je nach örtlichen Bedingungen auf eine Länge von 6,8 - 13,6 m. Der Bohrlochabstand betrgt im
Normalfall 15 m. Das gesamte Leitungsnetz für die Gasabsaugung erreicht in den nun folgenden Jahren eine
Länge von mehr als 30.000 m. Die notwendige ständige überwachung - insbesondere auch auf Dichtigkeit -
wird mit geschultem Personal unter Verwendung von Präzisionsinstrumenten durchgeführt.
Die planmäßige Absaugung von Grubengas bringt wesentliche Vorteile:
- Wegfall der Ausnahmegenehmigung des Oberbergamtes in stark
gashöffigen Flözen, da der CH4-Gehalt im Abwetterstrom auch bei
erhöhter Abbaugeschwindigkeit unter 1,0% gehalten werden kann.
- Reduzierung der erforderlichen Wettermenge,
- Verbesserung der Arbeitsbedingungen im gesamten Abbaubereich.
- Umstellung von Teilversatz auf Bruchbau,
- erhebliche Einschränkung der Fahrdrahtschutzbezirke.
Im obengenannten Fall der 2. westlichen Bauhöhe in Flöz Gretchen hätte der Abbau sogar eingestellt werden
müssen.
Als Schrittmacher der Gasabsaugung auf General Blumenthal und auch im Ruhrgebiet kann der am 28.02.1960
in den Ruhestand versetzte Fahrsteiger Erich Schütz gelten. Er erstellte die erste Kartei ber die planmäßige
Gasabsaugung und konzipierte ein Gerät zur Absaugung von CH4 während der Bohrarbeit.
Der Steinkohlenbergbauverein zeigt sich an diesen Arbeiten und Ergebnissen interessiert. Dipl.-Ing. Trösken
von der Essener Forschungsstelle des StBV schlägt eine intensive Zusammenarbeit auf diesem Gebiet vor,
was vom Bergwerk gern angenommen wird.
Im Januar des Berichtsjahres finden Kumpel auf der -900 m-Sohle im Bereich Schacht 2 unterhalb des Flözes
Gustav beim Ausbauen eines Umschlagplatzes in einer Höhe von etwa 6 m Spuren eines aus dem Erdaltertum
stammenden Tieres. Untersuchungen ergeben, da es sich um Fußabdrücke und Schleifspuren des Schwanzes
eines großen Landwirbeltieres (diadectes) aus dem Karbon handelt. Reviersteiger Walter Schwaak unterrichtet
sofort Bergwerksdirektor Frorath sowie Markscheider Riedel und Grubenbetriebsführer Hahne und läßt die
etwa 1,0 x 0,6 m groe Platte bergen. Das Stück zerfällt zwar dabei trotz vorsichtiger Sprengarbeit in drei Teile,
kann von Fachleuten aber wieder zusammengesetzt werden. Das Original befindet sich heute in der
geologischen Abteilung des Bergbaumuseums in Bochum, ein Abdruck davon auf dem Bergwerk
Blumenthal/Haard.
Es war nicht der erste Fund in diesem Bereich. Bereits 1891 hatte man beim Abteufen des Schachtes 2 -so
berichtet Bergrat a.D. Alfred Drissen in seiner Chronik "Alt Blumenthal"- im Mergel einen Mammutzahn
gefunden.
Am 01. April wird Dipl.-Ing. Josef Pfitzner zum Elektro-Fahrsteiger befördert und mit der Leitung der
Elektroabteilung unter Tage betraut. Er löst Elektro-Obersteiger Breing ab.
Fahrsteiger Georg Uebbing erhält am 02.Mai seine Bestätigung als Obersteiger.
Nach dem Ausscheiden von Grubenbetriebsführer August Hues im Sommer des Jahres wird Betriebsführer
Emil Hahne alleiniger Leiter des Grubenbetriebes.
Ernst Südhofer steht nach den Wahlen wieder an der Spitze des Betriebsrats.
Er hat das Amt schon in den Jahren 1948/49 begleitet und löst Wilhelm Packhäuser ab.
Auf der Schachtanlage beginnt man mit dem systematischen Aufbau einer Ausbildungsabteilung unter der
Regie von Fahrsteiger Josef Benner.
Ein kultureller Höhepunkt in diesem Jahr:
Bei den 5.Ruhrfestspielen der Stadt Recklinghausen gastiert die Hamburger Staatsoper mit Mozarts
"Zauberflöte".