Bergmannsverein General Blumenthal
Chronik 1949
Im August 1949, ein Jahr nach der Währungsreform, entsteht die "Bundesrepublik Deutschland", im Osten
bereits ein Jahr vorher die "Deutsche Demokratische Republik". Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland
umfaßt die von den Amerikanern, Engländern und Franzosen besetzten Gebiete, nachdem sich die
Besatzungsmächte über ihre jeweiligen Positionen geeinigt haben.
Die Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag sehen die CDU/CSU als Sieger. Die beiden gemeinsam
agierenden Parteien erhalten 139 von 402 Mandaten, dicht gefolgt von den Sozialdemokraten mit 131 Sitzen.
Die FDP sieht sich in deutlichem Abstand. Abgeschlagen die Kommunisten, die nur 15 Sitze für sich
beanspruchen können.
Der 73-jährige Christdemokrat Dr.Konrad Adenauer wird zum ersten Bundeskanzler gewählt. Er hat ein Jahr
vorher als Vorsitzender des Parlamentarischen Rates an der Fassung des "Bonner Grundgesetzes" mitgewirkt,
das im Berichtsjahr verabschiedet wird. Dr.Adenauer war bereits 1917 im ersten Weltkrieg Oberbürgermeister
in Köln und später Präsident des Preuischen Staatsrates, bis die Nationalsozialisten 1933 seinem Wirken ein
vorläufiges Ende setzten und ihn aller politischen Ämter enthoben. Dr. Ludwig Erhard wird Wirtschaftsminister.
Nachdem die Militärregierung für beendet erklärt wird, tritt die Bundesrepublik nach dem
Petersberg-Abkommen vom November 1949 der Internationalen Ruhrbehörde bei und erreicht, da der Abbruch
lebenswichtiger westdeutscher Werke eingestellt wird, im Gegensatz zum Osten Deutschlands, wo die
Sowjetunion weiter moderne Betriebe demontiert - deklariert als Reparationszahlungen.
Die Bundesrepublik nimmt Konsular- und Handelsbeziehungen, vor allem mit dem westlichen Ausland auf und
tritt internationalen Vereinigungen und Verträgen bei.
Der Ruhrbergbau tut nun alles in seinen Kräften stehende, die anlaufende Wirtschaft mit der dringend
benötigten Kohle zu versorgen. Es gelingt, trotz einer Vielzahl von veralteten Anlagen die Förderung deutlich zu
steigern. Bis Ende 1949 wird die Ausfuhr fester Brennstoffe nach der von den Alliierten zwangsweise
festgelegten Quote auf etwa 22 Millionen Tonnen erhöht. Die Steinkohle - in dieser Zeit einer der wenigen
Exportartikel - bringt so dem Staat einen wesentlichen Teil der dringend benötigten Devisen, wenn auch der
Bedarf an Kohle im eigenen Land überall deutlich zu spüren ist.
Die Kriegsschäden an den Werksanlagen der Bergwerksgesellschaft Hibernia waren zu Kriegsende
umfangreich und wurden damals mit mehr als 200 Mio RM beziffert. Die Luftangriffe, die sich in den Jahren
1944 und 1945 verstärkten, brachten die Anlagen im Frühjahr 1945 fast völlig zum Erliegen. Insbesondere die
Schachtanlagen Bergmannsglück, Möller, Scholven, Schlägel und Eisen, Wilhelmine Victoria und Shamrock
wurden schwer beschädigt. Weitere Schäden durch Sprengungen an den Anlagen während des
Zusammenbruchs konnten erfreulicherweise durch umsichtiges Verhalten der Werksleitungen und
Belegschaften verhindert werden. Es galt, vor allem die Grubenbetriebe und die Aufbereitungsanlagen wieder
in Gang zu bringen.
Bei der Größe der Schäden war der Aufbau mühevoll und langwierig. Es fehlte nicht nur an dem zur
Schadensbeseitigung erforderlichen Material und Kapital, sondern auch an erfahrenen Fachkräften über und
unter Tage. Die Neuanwerbung von Arbeitskräften gestaltete sich wegen ungenügender Versorgung und
unzureichender Wohnungsverhältnisse schwierig. Hinzu kamen die Auswirkungen des Währungsverfalls in den
ersten Nachkriegsjahren bis zur Währungsreform.
Nach Beendigung des Krieges unterlag außerdem das Hibernia-Vermögen der Sperre und Beaufsichtigung
nach dem Gesetz 52 der Militärregierung. Ferner wurde durch die allgemeine Verfügung Nr.5 vom 21.
Dezember 1945 zum Gesetz 52 der gesamte Kohlenbergbau einer besonderen Kontrolle unterworfen. Damit
war auch die Tätigkeit der Organe der Gesellschaft stark eingeschränkt.
Im Rahmen dieser Kontrolle erging am 10. November 1948 das Gesetz Nr. 75 der Militärregierung, das die
Umgestaltung des deutschen Kohlenbergbaus und der deutschen Eisen- und Stahlindustrie regelte.
Die Grubenbetriebe der Bergwerksgesellschaft Hibernia erbringen im Berichtsjahr eine verwertbare Frderung
von 8,141 Mio tvF bei einer Untertageleistung von 1,292 tvF/MS.
Der Absatz wird zu Beginn des Jahres 1949 von dem am 04. Februar 1948 gegründeten "Deutschen
Kohlenverkauf" abgewickelt, der als Verkaufszentrale der von der Militärregierung am 18.November 1947
eingesetzten "Deutschen Kohlenbergbau-Leitung" angeschlossen wurde.
Die Jahresförderung des Bergwerks General Blumenthal liegt noch unter 1 Mio tvF. Der Abbau der Kohle in
den Streben erfolgt ausnahmslos mit Abbauhammer, in Einzelfällen unterstützt durch Schräm- oder
Kerbmaschinen. In den Streckenvortrieben wird mit Einzelbohrhämmern gebohrt. Das Haufwerk lädt man mit
der "Pannschippe". Bohrwagen und Lademaschinen gibt es noch nicht.
Aber es geht aufwärts. Man ist zufrieden, da das Bergwerk die Kriegsjahre fast unbeschädigt überstanden hat.
Das ist nicht als selbstverständlich hinzunehmen. Wenn auch die Bomben keinen entscheidenden Schaden
anrichteten, so entstand in den letzten Monaten vor dem Waffenstillstand eine neue große Gefahr, die nicht von
den Kriegsgegnern ausging.
Hier muß man sich daran erinnern, da nach dem verhängnisvollen "Führerbefehl" gegen Kriegsende alle
Industrieanlagen gesprengt und in ihren wesentlichen Teilen unbrauchbar gemacht werden sollten. Der Leitsatz
der "verbrannten Erde" betraf auch die Bergwerke. Auf General Blumenthal waren gemäß der Befehle des
Gauleiters Dr.Meier und des Generaldirektors Tengelmann am 28.März 1945 nach Stillegung der Anlage die
Fördermaschinen, Maschinen- und Kesselhäuser sowie sämtliche Stromzuführungs- und Verteilungsanlagen zu
sprengen. Nur dem bis zur Selbstverleugnung gehenden Mut von Führungskräften ist es zu verdanken, daß der
Wahnsinnsbefehl unterlaufen und das Bergwerk vor einer Stillegezeit bis zu 10 Jahren bewahrt werden
konnte.
Ganz besonders verdient gemacht hat sich der damalige Leiter des Tagesbetriebes, Friedrich Rumberg, der
die Sprengung verweigerte und auch dann noch standhaft blieb, als der nach der Abkommandierung von
Bergwerksdirektor Dr.Treichel mit der Leitung des Bergwerks beauftragte Inspektor Hilgenstock den Befehl
doch durchführen wollte. Nach langwierigen Verhandlungen mit Instanzen von Wehrmacht und Partei sowie mit
Kommandos, die zur Ausführung zum Bergwerk geschickt worden waren, erwirkte man schlielich die Erlaubnis,
die Sprengung in eigener Regie vornehmen zu dürfen. Es wurden 4 der 500-Volt-Schalter im Maschinenhaus
gesprengt - eine wirkliche Alibimaßnahme. Neben Tagesbetriebsführer Rumberg übernahmen Betriebsführer
Heimann sowie Fahrsteiger Uebbing und Obersteiger Lomberg bei stiller Mitwisserschaft von Inspektor
Hilgenstock die Verantwortung. Der Schaden war in der Folgezeit schnell behoben.
Ende des Berichtsjahres ereignet sich ein Unfall, dem ein Bergmann zum Opfer fällt. In einem Streckenvortrieb
zündet beim Abtun eines Abschlags auf der Mittagschicht eine Patrone nicht. Als auf der folgenden
Nachtschicht die Bohrmaschine angesetzt wird, kommt es zur Detonation. Der Bergmann ist sofort tot.
Angeklagt werden ein Fahrsteiger, ein Steiger und ein Fahrhauer. Es wird ihnen Vernachlässigung der
Aufsichtspflicht zur Last gelegt. Die mit großer Gewissenhaftigkeit geführte Beweisaufnahme ergibt jedoch als
Ursache eine unglückliche Verkettung von Umständen und so erfolgt in der Verhandlung 1 1/2 Jahre später der
Freispruch der Angeklagten.
Das Bergwerk General Blumenthal gehört wie in den Jahren vorher zum Bergamt Recklinghausen II, das hier
seinen Sitz in der Reitzensteinstraße hat.
- Bergamtsleiter ist Oberbergamtsdirektor Theodor Isselstein.
- Die Leitung des Bergwerks hat Bergwerksdirektor Bergass. a. D. Hans Schmitz.
- Die Position eines Betriebsdirektors ist noch nicht besetzt.
- Den Untertagebetrieb führt Grubenbetriebsführer August Hues.
- Der Tagesbetrieb liegt in den Händen von Betriebsführer Keller, der im Verlauf
des Jahres von Friedrich Rumberg abgelöst wird.
- Die Markscheiderei leitet Markscheider Erich Riedel.
- Die Wetterabteilung untersteht Fahrsteiger Helmig.
- Die Elektroabteilung unter Tage führt Elektro-Obersteiger Breing.
- Leiter der Bauabteilung des Bergwerks ist Zechenbaumeister Echterbruck,
der diese Stellung bereits seit den Kriegsjahren -mit kurzer Unterbrechung
nach 1945 innehat.
- Die Wirtschaftsabteilung leitet Bergrat a. D. Claus Liebeneiner.
- Für das Rechnungswesen ist Rechnungsführer Stefke verantwortlich.
- Fahrsteiger Josef Benner leitet die Ausbildungsabteilung.
- Vorsitzender des Betriebsrats ist Wilhelm Packhäuser.
Er hat sein Amt im Berichtsjahr von Ernst Südhofer übernommen.
Am 07.Mai 1949 wird der 100.000.Bürger in Recklinghausen geboren.
Am 10.Mai erfolgt die Proklamation der Vestmetropole zur 43. deutschen Großstadt.